Zur vorliegenden Aufnahme:
Wenn man über ein Chorwerk der Musikliteratur als „Repertoirestück“ spricht, dann wäre es wohl die 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven. Der hier vorliegende Mitschnitt aus den Januar-Tagen des Jahres 2022 hingegen hat jedoch nichts mit einer Repertoire-Aufführung im landläufigen Sinn zu tun. Wir sprechen von einer Zeit, in der maximal 350 (!) Zuhörer im Parkett der Tonhalle zu Düsseldorf Einlass finden durften. Die strikten Hygiene-Vorschriften der Corona-Pandemie hatten bereits nahezu 2 Jahre jegliche öffentlichen Veranstaltungen verboten. Dazu zählten auch gemeinsamen Proben. Für den Chor bedeutete das, im Fall einer Beethoven 9 mit grade einmal 65 (!) Sängerinnen und Sängern auf dem Podium stehen zu können, davon ganze 12 Sopranistinnen. Wer Beethovens Jubel im 4. Satz kennt, vermag sich vorzustellen, dass selbst ein professioneller Rundfunkchor so seine Probleme gehabt hätte. Leider zeigt die Aufnahme auch, dass der so dezimierte Chor nicht zusätzlich aufnahmetechnisch „gestützt“ wurde. Das gilt nicht nur für den Musikverein, sondern auch für die Solisten. Adam Fischer kam auf die Idee, die vier Soli in die erste Reihe der äußersten rechten Seite des (zuschauerfreien) Rangs zu platzieren. So hören wir die Vokalstimmen wie aus einem anderen Raum…
Gleichwohl bleibt die vorliegende Aufnahme ein Zeugnis aus einer besonderen Zeit unter besonderen Umständen und mit einer besonderen Aussage: Mögen wir doch bald wieder zu Zeiten zurückfinden, die wir über Jahrzehnte als selbstverständlich und „normal“ hingenommen haben! Es wurde uns jedoch drastisch vor Augen und Ohren geführt, dass dem eben so nicht ist; so selbstverständlich und „normal“!
Übrigens:
Wie im hochgelobten Mahler-Zyklus, bei dem vor die Symphonien des Spätromantikers jeweils eine Symphonie von Joseph Haydn vorangestellt wurde, hat sich Adam Fischer entschlossen, die teils sehr wenig bekannten Symphonien von Franz Schubert als Eingangswerk zu präsentieren. Im Konzert, das der vorliegenden Aufnahme zugrunde liegt, war das die Symphonie Nr. 1, D-Dur, D 82
Auch das gehört zu diesem Schallarchiv-Dokument:
Die Tonhalle Düsseldorf hatte ursprünglich für das Menschenrechtskonzert 2022 einen Kompositionsauftrag an den österreichischen Komponisten René Staar vergeben. Dieses Werk „Schwarzer Schnee“ sollte am 19. März 2022 mit Marisol Montalvo, Sylvie Rohrer, dem Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf und den Düsseldorfer Symphonikern unter der Leitung von Adam Fischer uraufgeführt werden. Die im Land wütende Corona-Pandemie und die damit verbundenen massiven Einschränkungen machten dieses Vorhaben auch aus probentechnischen Gründen zunichte. In Abänderung des Programms dirigierte Adam Fischer am 19. 03. als Wiederholung der Konzerte vom Januar Beethovens 9. Symphonie. In Vertretung des Preisträgers, des in seiner Heimat inhaftierten türkischen Bürgerrechtlers, Kulturförderers und Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala, nahm Bundesminister Cem Özdemir den mit 10.000,00 Euro dotierten Preis (gestiftet von der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Tonhalle Düsseldorf) entgegen.
Januar 2022: Der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf in einer Corona-Minimalbesetzung
März 2022: Cem Özdemir bei seiner Laudatio auf den Menschenrechtspreisträger Osman Kavala
Osman Kavala © 2014 DPA