Lebenslauf
Vereinsleben: Bewegte Zeiten – Martinshorn während der 2. Mahler in Paris

Bewegte Zeiten     2. Mahler mit Maazel und Rettungswagen

Es ist für mich heute (2021) nicht mehr nachvollziehbar, wann genau es war. Auch die Daten der Schallarchiv-Aufnahme (Vol. 6) geben keine präzise Auskunft. Jedenfalls spreche ich von der Schrecksekunde in einer Mahleraufführung schlechthin. Wovon rede ich?

Im März/April des Jahres 1989 fand im Pariser „Theatre musical de Paris, Chatelet“ ein internationales Mahler-Festival statt. Solisten wie Christa Ludwig, Gwyneth Jones, Thomas Hampson, Lucia Popp, Arleen Auger, Simon Esters, Brigitte Fassbaender, Waltraud Meier, Francisco Araiza, sowie die Dirigenten Riccardo Chailly, Vaclav Neumann, Marek Janowski, Eliahu Inbal, Pierre Boulez, Kent Nagano, Simon Rattle -um nur einige zu nennen- gaben sich sozusagen „die Klinke in die Hand“.

Warum nenne ich diese Namen? Weil ich damit aufzeigen möchte, in welchem Umfeld sich 1989 der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf bewegen durfte.

Zu eben diesem hochkarätigen Festival war der Musikverein für zwei Aufführungen der 2. Mahler unter der Leitung von Lorin Maazel verpflichtet worden. Gustav Mahlers Werk lebt an vielen Stellen von extremen Kontrasten. Die 2. Symphonie, „Auferstehung“, ist ein prägnantes Beispiel, besonders der 5. Satz. Nach geradezu apokalyptischen ffff-Ausbrüchen des riesig besetzten Orchesters tritt in Takt 7 nach Ziffer 29 (Universal Edition) ein Flöten-Solo einsam in den Vordergrund, die Stimme eines Vogels imitierend. Nach diesem leise verklingenden Solo folgt eine Generalpause, also absolute Stille. Danach sollen der Chor (6-stimmig) und der leise mitsingende Solo-Sopran a cappella pppp einsetzen. Lorin Maazel hatte darauf bestanden, diesen Einsatz nicht -wie sonst vielfach üblich- von den Celli begleiten zu lassen, sondern wirklich a cappella zu singen, was absolute Tonsicherheit, besonders im pppp, von jedem verlangte.

Dann geschah etwas fürchterliches: Genau in die Stille der Generalpause hörte man auf der Bühne (nicht im Saal) das Martinshorn eines draußen vorbeifahrenden Einsatzfahrzeuges, und zwar mit einer Tonfolge, die absolut nichts mit dem zu tun hatte, was Mahler an dieser Stelle -davor und danach- komponiert hatte. Und: Es gelang trotzdem!!

Als ich viele Jahre später Lorin Maazel in Berlin auf diese Aufführung ansprach, sagte er „Das war ein Albtraum! Ich dachte in Bruchteilen einer Sekunde nur: Alles vorbei, alles kaputt, alles umsonst! Dann habe ich die Augen zu gemacht und den Einsatz gegeben …., und es war wie ein Wunder, eine echte Erlösung für mich. Sehr, sehr professionell! Glückwunsch!“

Auf dem Band von Radio France kann man das mit spitzem Ohr in etwa nachvollziehen.

Erinnerungen von Rainer Großimlinghaus im August 2021

Bild im Text: Lorin Maazel bei diesem Konzert in Paris

Beitragsbild: Das Konzerthaus Chatelet von innen