Lebenslauf
Vereinsleben

Musikfest = Düsseldorf - 21. Niederrheinisches Musikfest am 19., 20. und 21. 5. 1839

Fortsetzung des vorangegangenen Artikels aus der Düsseldorfer Zeitung vom 22.5.1839:

"So schloß das einundzwanzigste Musikfest. Aber man konnte so viele schöne Veranstaltungen, in welchen die Einsicht und Liberalität des festordnenden Comité's sich rühmlich bewährte, nicht auflösen, so manche hier vereinigte Tonkräfte nicht wieder sich trennen sehen, ohne mehrere derselben in einer dritten Aufführung, welche ganz eigentlich aus dem Stegreife entstand, besonders noch zu bewundern. Also fand gestern (Dienstag) Abend in dem Festlocale ein eigenes Concert zur Nachfeier statt. Mozart's Ouvertüre zur Zauberflöte eröffnete großartig den Abend. Dann trugen Fräulein Faßmann und Herr Schmidt das erste große Duett der Donna Anna mit Don Ottavio aus "Don Juan", darauf Fräulein Schloß eine Alt-Arie aus Rossini's "Semiramis", Fräulein Novello eine Sopran-Arie aus Haydn's "Schöpfung" (mit englischem Text) und Herr Schmidt die Tenor-Cavantine aus Mendelssohn's "Paulus": "Fürchte Dich nicht etc.", mit der von Herrn Breuer aus Cöln meisterhaft gespielten Violoncell-Begleitung, endlich Herr Dr. F. Mendelsssohn sein neuestes (D-moll-)Concert für das Clavier, und Fräulein Novello die Arie aus Bellini's "Norma": Casta diva etc., vor. Welche von diesen Leistungen das größte Lob verdiente oder errang, ist schwer zu sagen. Der fast überfüllte Saal konnte des Beifallrufens nicht Maaß noch Ziel finden. Es waren seltene, einzig schöne Augenblicke allgemeiner Rührung und Freude.
Den zweiten Theil des Concertes eröffnete die schon gehörte Ouvertüre von J. Rietz (Bild), dann das große Recitativ (der Traum), und die Arie der Iphigenia von Gluck, welche Fräulein von Faßmann mit gewohnter Kraft und edler dramatischer Haltung vortrug. Hierauf entwickelte Herr Concertmeister Lubeck aus Haag große Virtuosität in einer Elegie für die Violine von Ernst. Aber so lauten Beifall auch alles Andere schon gefunden hatte, so steigerte sich das allgemeine Entzücken doch bis zu einem nicht erreichten Gipfel, als Fräulein Novello schottische Volkslieder zu Herr Dr. Mendelssohn's Clavierbegleitung sang. Das ganz eigenthümlich Frische und Poetische dieser Klänge wirkte mit räthselhafter Magie. Wer in diesem Augenblicke die edle Sängerin ohne zu hören, nur gesehen hätte, würde tief ergriffen worden sein; wer aber sah und hörte, mußte sich selbst vergessen. Und als sie nun mit dem "God save the Queen" schloß, als aus allen Richtungen die Bitte, der laute Ruf um Wiederholung, erscholl und die stolze Brittin nun das deutsche vaterländische "Heil Dir im Siegerkranz" anstimmte, da ergriff Freude und Dank, gemischt mit edlem Selbstgefühl, die glänzende Versammlung und unterbrach den kaum begonnenen Gesang mit donnerndem Jubel. Clara Novello begann aufs Neue das Lied, und der ganze Saal erhob sich am Schlusse, Chor und Orchester stimmten ein in den Festgesang zum Lobe des erhabenen Königs und Landesvaters, dem wir auch dieses herrliche Fest verdanken, und unwillkürlich folgte jedes Herz dem vereinten Triumphe der Schönheit und Kunst. Nicht würdiger konnte der Abend geschlossen werden, als mit Händel's unübertrefflichem "Halleluja".
Mit so großartigem Zauber endete das Rheinische Musikfest, und gewiß trug Jeder den Wunsch mit sich heim, daß fortdauernder Friede und Eintracht im Vaterlande uns noch recht oft solche Feste - die schönsten unter allen - begehen lassen möge."

Bild und Kurzbiographie: Clara Anastasia Novello (10. Juni 1818 - 12. März 1908), Sopran, war eine der vier Töchter des Musikers und Musikverlegers Vincent Novello. Mit íhrem schönen und hohen Sopran und reinem Stil war sie eine der größten Sängerinnen ihre Epoche für Oper, Oratorium und Konzert. Robert Schumann verehrte Clara Novello sehr und schrieb für sie seine acht "Noveletten op. 21 für Klavier" und prägte damit den Begriff "Novelette", die ein Charakterstück mit mehreren, oft unverbundenen nebeneinander stehenden Themen darstellen. Auch in Niels W. Gades Werkverzeichnis finden sich insgesamt drei Kompositionen mit dem Titel "Noveletten".

Porträt Clara Novello, Stahlstich nach einem Gemälde von Eduard P. Novello - Aus: Clara Novello's Reminscences. Compiled by her daughter Contessa Valeria Gigilucci. With a memoir by Arthur D. Coleridge. London 1910