Lebenslauf
Robert Schumann

Schluss des vorangegangenen Artikels:

(4)"Hier in Endenich verlor sein Zustand unter sachkundiger Pflege und sicherer Obhut viel von seinem akuten, erschreckenden Charakter. Sein Denken war keineswegs zerrüttet und der Verkehr mit ihm durchaus nicht quälend oder beängstigend. Nur todesmüde war sein Geist, abgespannt bis zum Aeussersten und darum häufig in stiller Melancholie in sich selbst versunken. Seine Beschäftigung bestand in Musicieren, Lesen und Schreiben von Briefen; vor Allem aber hing er auch jetzt noch an seinen beiden jugendlichen Lieblingen Joachim und Brahms. Letzterer hatte die ihm erwiesene Liebe als echter Freund vergolten und war alsbald auf die Schreckensnachricht hin nach Düsseldorf übergesiedelt, um Frau Schumann in dieser schweren Zeit beizustehen. Er war der häufigste Gast im Krankenhause und der willkommenste; sein Kommen schaffte dem Kranken Freude und Beruhigung zugleich. Clara selbst hat ihren Gatten erst kurz vor seinem Tode wiedergesehen. Aber die Briefe, die Schumann aus der Anstalt an sie richtete, beweisen, dass der Herzensbund Beider auch diesem härtesten Schicksalsschlag zu trotzen vermochte. Diese Briefe werfen einen verklärenden Schimmer auf das tragische Ende des Meisters. Selten hat er in glücklicheren Tagen sein edles, gemüthvolles Innere so naiv klargelegt, selten seiner Liebe zu seiner Gattin, seinen Freunden und seiner Kunst einen schöneren und rührenderen Ausdruck verliehen, als in diesen letzten Briefen von seiner Hand. Noch einmal steigt die Gestalt Felix Mendelssohns, des »Unvergesslichen«, vor ihm auf und er giebt seinem am 10. Juni geborenen jüngsten Knaben dessen Namen. Noch einmal lässt er alle vertrauten Gestalten und Erinnerungen seines wechselreichen Künstlerlebens vor seinem matten Geiste vorüberziehen, alles in Gedanken mit der geliebten Clara aufs Neue durchlebend. Und auch in die Zukunft blickt er froh hinaus; er ahnt, dass der »junge Adler« seinen Flug zur Sonne nehmen und sein glücklicherer Erbe sein wird.

So können wir von dem grossen Künstler ohne trübe oder gar erschreckende Erinnerung Abschied nehmen. Noch am Rande des Grabes steht seine Gestalt in lichtem Glänze da; hatte sein Geist auch seine zündende Kraft verloren, sein edler Sinn und sein überreiches Herz sind ihm bis ans Ende treu geblieben.

Am 29. Juli 1856, Nachmittags 4 Uhr, wurde Robert Schumann von seinen Leiden erlöst."

Bild und Kurzbiographie: Hermann Abert (* 25. März 1871 in Stuttgart; † 13. August 1927 in Stuttgart) war ein deutscher Musikhistoriker. Hermann Abert war der Sohn des Stuttgarter Hofkapellmeisters Johann Josef Abert und erhielt seine erste musikalische Ausbildung von diesem. Er besuchte Gymnasium und Konservatorium in seiner Heimatstadt und diente 1889/90 als Einjährig Freiwilliger. In Berlin wurde Abert 1925 als Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen und war damit der erste Musikwissenschaftler, dem diese Ehre widerfuhr. Zudem wurde er Vorsitzender der Preußischen Musikgeschichtlichen Kommission. Er starb im Alter von 56 Jahren am 13. August 1927 in Stuttgart.
Quelle: http://www.zeno.org/Musik/M/Abert/Hermann/Robert/Schumann/Das/Ende