Lebenslauf
Robert Schumann

Aus einem Referat des Düsseldorfer Schumann Forschers Matthias Wendt mit dem Titel "Bach und Händel in der Rezeption Robert Schumanns", gehalten am "Tag der mitteldeutschen Barockmusik 2001 in Zwickau", möchten wir dem geneigten Leser einen Auszug geben, weil die Ausführungen von Dr. Wendt einen Fokus auf Robert Schumanns Konzertplanung für seine Düsseldorf Zeit legen und einiges zur damaligen Aufführungspraxis erläutern:

(1)"Mit dem Antritt seines ersten und einzigen öffentlichen Amtes, der Stelle eines Musikdirektors in Düsseldorf, kann Schumann die unübersehbaren Beschränkungen der Dresdener Aufführungsbedingungen sprengen. Endlich steht ihm ein wirklich großer Chor mit etwa 120 Mitgliedern und ein semiprofessionelles Orchester zur Verfügung. Dies bedeutet vor allem, dass statt einzelner Chöre nunmehr Gesamtwerke geprobt und aufgeführt werden können. Für Händel (Bild) kann Schumann in Düsseldorf zudem auf die Vorarbeit von Mendelssohn und Rietz zurückgreifen, die eine ausgesprochene Händeltradition initiiert und Aufführungsmaterialien hinterlassen haben. Viele dieser Stimmensätze sind heute noch vorhanden und zeigen Spuren von Mendelssohns und Rietz’ Hand, die ganze Instrumentalpartien hinzukomponiert haben.

Auch während der Düsseldorfer Zeit dokumentiert Schumann die Probenarbeit mit dem Gesangverein im schon in Dresden begonnenen Chornotizbuch. Auf der vorletzten Seite (S. 111) dieses Buches findet sich, möglicherweise schon in Dresden in Hinblick auf die künftige Repertoireplanung für Düsseldorf geschrieben, eine Aufstellung „Zu Concertaufführungen“. Die Liste ist in zwei Rubriken unterteilt, links „Neuere Stücke“, rechts „Ältere Stücke“, in unserem Zusammenhang interessiert nur die rechte Spalte:
„Ältere Stücke
Aus Orpheus von Gluck.
H. Mollmesse v. J. S. Bach.
Der 117te Psalm v. Bach [i. e. die schon in Dresden geprobte Motette BWV 230]
Esther von Gluck
Messias von Händel
Josua –– ––
Judas Maccabäus ––
Dettinger Te deum ––
Messe von Fr. Schubert.“

Man sieht, jetzt endlich, in Düsseldorf, kann sich Händel gegenüber Bach deutlich durchsetzen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass dies nur eine gedachte, nicht in die Realität umgesetzte Planung ist. Wirklich realisiert hat Schumann von den geplanten Händel-Werken den Josua (schon in Schumanns erster Probe mit dem Düsseldorfer Gesangverein am 17. September 1850 gesungen, wiederaufgenommen ab August 1851 und aufgeführt am 20. November 1851 und das Dettinger Tedeum (geprobt schon im Januar 1851, wiederaufgenommen ab 2. Dezember 1851, sechs Sätze daraus aufgeführt am 8. Januar 1852; Schumann benutzte hierzu die heute noch vorhandenen, von Rietz und Mendelssohn selbst arrangierten handschriftlichen Stimmen des Düsseldorfer Musikvereins. Hinzu kommen allerdings Proben (ab 20. Oktober 1850) und Aufführung (21. Dezember) zu dem von Schumann wenig später als „Ideal eines Chorwerkes apostrophierten Oratorium Israel in Ägypten sowie zum 100. Psalm (einstudiert ab 15. April 1851, aufgeführt 18. Mai 1851). Beides Werke, die in der ursprünglichen Konzert-Planung noch nicht vorgesehen waren. Am 18. November 1852 schließlich wird unter Leitung seines Stellvertreters Julius Tausch das „Hallelujah“ aus dem Messias aufgeführt, wobei von Schumann eigentlich eine komplette Aufführung geplant war, denn er macht sich entsprechende Notizen zur Konzertplanung für „Winter 1852/53“ bzw. ganz konkret zum Benefizkonzert dieser Saison „Für die Armen:im März Palmsonntag: d. 20sten März [1853] (Messias), die aber wegen der Ende 1852 beginnenden Querelen mit einem Teil der Düsseldorfer Musiker zunächst scheiterte. Erst im Mai 1853, zum Eröffnungskonzert des 31. Niederrheinischen Musikfests in Düsseldorf, kann Schumann das Vorhaben realisieren. Im Anschluß an die Aufführung der zweiten Fassung seiner Symphonie op. 120 dirigiert er am 15. Mai 1853 den kompletten Messias in zeitüblicher Massenbesetzung, was Wolfgang Müller von Königswinter in seiner Rezension ausdrücklich und emphatisch hervorheben wird: „Uebrigens muß man Händels Werke auch von so massenhaften Chören aufführen hören, wie ein rheinisches Musikfest sie versammelt. Da lausche Einer einmal dem Halleluja und fühle sich nicht gehoben von dieser Allgewalt eines harmonischen Aufbaues! Wie sich das übersteigt und übergipfelt, und doch stets im herrlichsten Ebenmaß bleibt! In der That liegt hier die Aehnlichkeit mit einem gothischen Dom nicht allzuweit. In solchen Momenten thut der Chor wahrhaftige Wunder. Welche Kraft, Fülle, Begeisterung! [...] Was aber auch alle Mitwirkenden leisten mochten, größer erhob sich aus den Wogen seines Werkes das Bild des einzigen, unvergleichlichen mächtigen Meisters, dessen culturgeschichtliche Bedeutung mit der Zeit in welcher er lebte schwer in Einklang zu bringen ist.“

Diesen fünf in Düsseldorf von Schumann zur Aufführung gebrachten Händelschen Werken stehen nur drei Werke Bachs gegenüber, darunter allerdings eines, für das er sich in ganz erheblichem Maße engagieren wird: Die Erstaufführung der Johannes-Passion BWV 245. Schon von Dresden aus hatte Schumann dem Direktorium des Düsseldorfer Musikvereins Programmvorschläge für die Konzertsaison 1850/51 geschickt: „Mit dem Gesangverein zu studiren gedachte ich vielleicht die Johannespassion von Bach (die kleinere, aber nicht minder schöne), die 3 letzten Motetten von Mendelssohn und dann ‚Comala’ von Gade oder die Hermannsschlacht von Mangold [...]“.
Fortsetzung siehe nächsten Eintrag.