Auszug aus dem Tagebuch von Albert Dietrich, einem engen Freund der Familie Schumann, zur bevorstehenden Uraufführung der Ballade "Der Königssohn":
"D. 4ten Mai (...) Abends Concertprobe im Kürt'schen Saale. - Während des Probirens der BdurSymphonie (op.38) saß ich neben Frau Schumann. Dann wurde der Königssohn (op.116) zum ersten Male mit Orchester gesungen (...). Nach der Probe blieb ich bei Schumann bei Cürten, um zu Abend zu eßen. - Bei einer Flasche Champagner feierten wir die erste große Probe zum Königssohn. - Sch. sprach mit mir noch viel über das Werk. Der Anfang mit den gehaltnen Posaunen u. 3 Trompetenaccorden kommen ihm vor wie ein feierlicher Staatsact nachdem das Schiff untergegangen und während der Königssohn dem Ufer zuschwimmt, erklingen ein paar Mal kurze, wunderbare Accorde der Hoboen, Clarinetten etc. aus dem Gebraus der Bäße hervor als ob von Zeit zu Zeit die weißen Schultern des Königssohns auftauchten aus den Meereswogen. Endlich bei den hellen Trompetenklängen hebt er sich ganz aus den Wellen hervor und singt: Ein Königssohn etc. In dem Frauenchor (Fismoll) wo die Heldenthaten des Königssohns (Bändigung des wilden Pferdes) etc. beschrieben werden, wendet Sch. Cornets à piston an. - Der Klang derselben habe etwas Wildes, halbthierisches, das hier von ganz guter Wirkung sei. Und so theilte mir der Meister in heiterem, lebendigem Gespräch Dinge mit, die mir vom höchsten Intereße sind".
Quelle: Auszüge aus Albert Dietrichs Tagebuch (1852), Kopie aus: RSH, Sign. 4781-A3 und Auszug aus der Inaugural-Dissertation von Heike Jacobsen "Robert Schumanns Chorballaden nach Texten von Ludwig Uhland".
Bild und Kurzbiographie: Albert Dietrich (Hermann) Dietrich (* 28. August 1829 im Forsthaus Golk bei Meißen; 20. November 1908 in Berlin) war ein Komponist, Sänger und Dirigent. Dietrich war zunächst Schüler des Leipziger Konservatoriums und dann in Düsseldorf Schüler von Robert Schumann. Dieser widmete ihm 1853 die Komposition der Märchenerzählungen (op. 132). Dietrich gehörte zum engsten Freundeskreis um Clara Schumann, Joseph Joachim und Johannes Brahms und erlebte den geistigen Zusammenbruch Robert Schumanns aus nächster Nähe. Er war er für einige Jahre Städtischer Musikdirektor in Bonn und von 1861 bis 1890 Hofkapellmeister am Oldenburgischen Staatstheater. Der feinsinnige und originelle Komponist, der lange Zeit nur durch seinen Beitrag zur sogenannten FAE-Sonate in der Erinnerung blieb, wird in den letzten Jahren zunehmend als Meister von eigenem Profil wiederentdeckt, wie Neudrucke seiner Werke und Einspielungen beweisen.