Schallarchiv
Mahler: Symphonie Nr. 8 – “Symphonie der Tausend”

Die vorliegende Aufzeichnung aus dem Jahre 1956 verdankt der Städtische Musikverein zu Düsseldorf e.V. Wilfried Trübiger, der mit einer bemerkenswerten Audiothek jahrzehntelang das Düsseldorfer Konzertleben mit zahllosen Tonbandmitschnitten begleitet hat. Selbstverständlich sind die Originalbänder im WDR längst gelöscht, entsprechende Nachfragen wurden schon in den 80er Jahren abschlägig beschieden. Gleichwohl haben wir hier nun eine Aufnahme zur Verfügung, die nicht nur Zeugnis für die Mahler-Tradition des Chores ablegt, sondern auch das letzte erhalten gebliebene Tondokument der langen Geschichte Niederrheinischer Musikfeste, und damit des Gründungsgedankens des Städtischen Musikvereins (1818) darstellt. Die Umstände, unter denen das Werk 1956 aufgeführt wurde, waren denkbar ungünstig: 2 Tage zuvor hatte man mit dem „Te Deum“ von Ernst Pepping eine für damalige Verhältnisse höchst komplexe Uraufführung erfolgreich über die Bühne gebracht (davor im März stand die Mätthäus-Passion auf dem Programm, davor im Januar die „Große“ c-moll-Messe von Mozart, im Dezember 1955 der „Psalmus Hungaricus“ von Kodaly und ein Monat zuvor das Deutsche Requiem von Brahms); es wartete von Hindemith das „Requiem“ als EA, die Caecilienmesse von Haydn, die Faust-Szenen von Schumann und „König David“ von Honegger. Ein gewaltiges Pensum also, in welches die Mitte der 50er Jahre bei weitem noch nicht zum Repertoire gehörende Mahler-Symphonie mit ihren vielschichtigen Herausforderungen „eingebettet“ wurde.

Schlimmer noch war aber der desaströse Probenablauf: sowohl vor der Pepping UA als auch vor der 8. Mahler sagte der damalige Düsseldorfer GMD Eugen Szenkar kurzfristigst ab. Retter für beide Werke wurde in buchstäblich letzter Minute der international hoch geschätzte Hermann Scherchen, der allerdings in Sachen 8. Mahler mit –gelinde gesagt- abenteuerlichen Tempovorstellungen Solisten, Chöre und Orchester hörbar durcheinander wirbelte. Man kann sich beim Abhören dieses historischen Dokumentes kaum ein Schmunzeln verkneifen, wenn Sänger wie Instrumentalisten am Ende tatsächlich doch wieder den rettenden Hafen erreichen. Ratlosigkeit auch beim Publikum: sind wir doch heute weitaus andere Reaktionen –besonders auf dieses Stück- gewohnt, so waren die Zuhörer von 1956 ganz offensichtlich mit Art und Umfang der 8. Mahler deutlich überfordert…….

Die Tradition der Niederrheinischen Musikfeste als Podium zeitgenössischer Musik fand mit dem Musikfest 1956 für Düsseldorf zunächst ein Ende. 1957 gab es zwar noch in Aachen, und 1958 in Duisburg Nachfolgeveranstaltungen, diese jedoch ohne Mitwirkung des Städtischen Musikvereins.

Erst 1984 griff der Westdeutsche Rundfunk (WDR) den Gedanken „Musikfest“ wieder auf, jedoch mit anderen Programmschwerpunkten und nicht zuletzt auch mehr oder weniger mit nachdrücklichem Focus auf ein angemessenes Podium für die eigenen Klangkörper.

Das zur Verfügung stehende Bandmaterial war zum Zeitpunkt des digitalen Umschnitts über ein halbes Jahrhundert alt, was Spuren hinterlassen hat: elektrostatische Aufladungen und Materialdehnungen konnten im Zuge der Bearbeitung nur teilweise retuschiert werden. Das sehr trockene und mulmige Mono-Klangbild wurde unter Berücksichtigung der Dimensionen des Konzertsaales räumlich leicht angeglichen und etwas aufgehellt, ohne jedoch den „historischen“ Charakter zu stark zu beeinträchtigen.
Foto im Text: Hermann Scherchen und Michel Rühl nach dem Konzert 1956


Hermann Scherchen bei der Probe (beide Fotos)