Lebenslauf
Bewegte Zeiten: Helen Donath, ihre Appendizitis und die Orgel

Die EMI-Electrola Aufnahmen des Paulus von Felix Mendelssohn Bartholdy war für den Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf sicher die größte Produktion schlechthin. Alles war auf das Sorgfältigste vorbereitet: Chorwochenende in Klausur, Extraproben, Solisten vom Feinsten (Fischer-Dieskau, Hollweg, Donath, Schwarz), und die Düsseldorfer Symphoniker in Hochform unter der dramatischen Interpretation von Rafael Frühbeck de Burgos. Mit der Thomaskirche war ein akustisch hervorragender Aufnahmeraum gefunden und in Person von Christfried Bickenbach, Wolfgang Gülich sowie dem legendären Produzenten Dr. Helmut Storjohann bot die Electrola das Beste auf.

Dann die Hiobsbotschaft: Helen Donath lag im Krankenhaus und fiel für die Aufnahmesitzungen im Oktober 1976 definitiv aus! Was tun? Umbesetzung? Dr. Storjohann entschied, den Paulus so weit wie nur möglich aufzunehmen und für die Solo-Sopran-Stellen zeitnah einen Alternativtermin zu suchen. Das war logistisch nicht so einfach, zumal der Innenraum der Kirche vollständig umgebaut werden musste: Das Orchester vor dem Altarraum, davor der Dirigent, in seinem Rücken die Solisten, dahinter der Chor. Jeder Stuhl, jedes Pult, jedes Mikrofon musste für diesen Ersatztermin exakt an die gleiche Stelle platziert werden, wie zuvor im Oktober/November 1976. Das alles brachte Dr. Storjohann in Absprache mit der Gemeinde, dem Orchester und dem Musikverein zustande. Nur einen hatte er vergessen: den Organisten. Als die Aufnahmen am 14. und 15. Januar 1977 beginnen sollten, war kein Organist zur Stelle. Mit dem Mut der Verzweiflung spurtete Christfried Bickenbach zum Instrument und vollbrachte eine wahre Heldentat. Prof. Schmidt half noch mit Ratschlägen in Sachen Registrierung, und Wolfgang Gülich nahm die Regler für die Orgel etwas zurück (was post festum gar nicht nötig war!). Auf der Schallplatte war die Orgel dann später etwas im Hintergrund, was sich jedoch beim Umschnitt auf die CD relativierte: da hörte man sie (endlich). Allen, die dabei waren bleibt jedoch der Sprint von Christfried Bickenbach zwischen Aufnahmeraum und Orgel quer durch das Orchester in lebhafter Erinnerung. Und natürlich auch das krächzende „Herrrr Bickänbach!“ von Rafael Frühbeck de Burgos, wenn es denn einmal wieder weiter ging…, und natürlich auch die Stimme von Dr. Storjohann aus dem Lautsprecher: („Danke! Gestorben!“)

Erinnerungen von Rainer Großimlinghaus im September 2021

Bild: Aufnahme in der Thomas-Kirche Düsseldorf mit Rafael Frühbeck de Burgos und Werner Hollweg