Lieber Herr Professor Schmidt,
als der Städtische Musikverein und die Düsseldorfer Symphoniker 1989 im Gewandhaus konzertierten, konnte ich nicht ahnen, dass ich Ihnen von Leipzig aus einmal ein Wort des Abschieds schreiben würde. Und doch hat dies einen gewissen Charme: es ist eine bescheidene Nebenlinie von musikhistorisch bedeutsamen Verbindungen, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts zwischen Düsseldorf und Leipzig bestehen. Die überragende Persönlichkeit, in der sie sich gleichsam fokussieren, ist Felix Mendelssohn Bartholdy. Er war der eigentliche Begründer der Gewandhaustradition, ihm verdankt aber auch das Düsseldorfer bürgerliche Musikleben seine wichtigen Impulse. Für Mendelssohn haben Sie sich in besonderem Maße eingesetzt; und aus meiner Zeit in Düsseldorf erinnere ich mich mit besonderem Vergnügen einer Elias-Aufführung. Es war dies gewissermaßen ein Familienunternehmen: Ihr Sohn Andreas sang die Titelrolle (oder vielmehr: Er war ihr Darsteller, denn zum Elias gehört ja weit mehr als bloß schönes Singen). Zum großen familiären Ereignis wurde das Konzert aber für uns, weil wir, zusammen mit unseren Freunden des Musikvereins, endlich einmal unter Ihrer Leitung musizieren durften. Es war für uns eine beeindruckende Entdeckung, als Sie Ihre Fähigkeiten als Dirigent so klar offenlegten. Ich denke, Sie haben dabei auch die Symphatie des Orchesters verspürt, gereift in den langen Jahren unserer Freundschaft mit Ihnen. Bei diesem Konzert waren Sie aus einer Rolle herausgetreten, die Ihnen sonst eine selbstgewählte Bescheidenheit auferlegte. Ihr Anteil an vielen großen Aufführungen verbarg sich hinter der unscheinbaren Programmheftangabe Einstudierung: Hartmut Schmidt. Hieraus las der Kundige freilich viel. Sie haben den Städtischen Musikverein zu einem bedeutenden Konzertchor geformt. Ihrer erfolgreichen Arbeit verdanken wir unzählige gemeinsame Konzerterfolge in Düsseldorf und anderswo. Mit Ihrer Beharrlichkeit erreichten Sie sogar, dass der Musikverein sich Werken nähern konnte, die sonst weit außerhalb des Repertoirebereichs von Laienchören liegen. Denissows Morgentraum war da nur der Abschluss einer beeindruckenden Reihe. Mit einem kaum leichteren Großwerk der Chorliteratur, der Missa solemnis, verabschieden Sie sich nun aus der Reihe der Städtischen Symphoniekonzerte. Unseren Dank an Sie, lieber Herr Professor Hartmut Schmidt, verbinden wir mit einem egoistischen Wunsch, von dem wir aber wissen, wie sehr er auch Ihnen am Herzen liegt:
Möge der Musikverein, der von Ihnen geprägt ist, bald einen geeigneten Nachfolger finden.
Es wird sehr schwer.
Für die Düsseldorfer Symphoniker
Hermann Backes (seit 1992: mdr Leipzig)
Der Zufall (einmal wieder) will es, dass die Opuszahl von Beethovens gigantischem Bekenntniswerk (=123) nun auch in der Reihenfolge der Bearbeitung mit der Volumezahl 123 identisch ist. Ein Hinweis? Wir freuen uns daher besonders darüber, dass mit der vorliegenden Missa-Edition dieses besondere Dokument nach fast 15 Jahren Liegezeit für die Nachwelt erhalten werden konnte.