Im Jahr 1748 vollendete Johann Sebastian Bach seine h-moll Messe; gemeint ist mit diesem Datum die uns auch heute bekannte vollständige Fassung, der ab 1733 nach heutigem Kenntnisstand einige Missae breves aus gleichem kompositorischen Material vorausgingen. Der 1818 gegründete Musikverein stellte die Messe nach den uns zur Verfügung stehenden Archivunterlagen erstmals am 23. April 1885 in Düsseldorf vor, wobei mindestens eine Aufführung von Teilen des Werkes bereits 1852 verzeichnet ist. Das ist vergleichsweise spät, denn eine typische Eigenschaft des Musikvereins war es doch, zeitnah zu den jeweiligen Uraufführungen die Werke zeitgenössischer Komponisten (nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Niederrheinischen Musikfesten) einzustudieren und dem Publikum zu präsentieren. Bedenken sollte man jedoch, dass bei Gründung des Musikvereins, Johann Sebastian Bach in diesem Sinne kein Zeitgenosse mehr war; generell lässt sich in der Aufführungschronik des Chores nachlesen, dass zum Beispiel die Matthäus-Passion ungleich häufiger (wenn auch teilweise mit drastischen Kürzungen) in den Programmen vertreten ist (seit 1849, seinerzeit unter der Leitung von Robert Schumann).
Die jüngste Vergangenheit zeigt hier ein vergleichbares Bild: nach dem 2. Weltkrieg finden wir die
Hohe Messe erst im April 1960 unter Eugen Szenkar, später dann 1974 unter Henryk Czyz. Ein Grund dürfte darin liegen, dass das Werk -mehr noch als die Passionen- von anderen Chören besetzt war;
so zögern wir nicht, u. a. auf die ganz ausgezeichneten Aufführungen des Bach-Vereins und der Niederrheinischen Chorgemeinschaft hier unter Hartmut Schmidt- hinzuweisen.
David Shallon nahm sich somit nach 18 Jahren im Rahmen der Städtischen Symphoniekonzerte dieser herausragenden Komposition der abendländischen Musikkultur an. Er tat es in der ihm eigenen, völlig unprätentiösen Art, vergleichbar mit seiner ebenfalls schwungvollen Herangehensweise an Mozart.
Kaum eine der am CD-Markt verfügbaren Einspielungen dürfte seine Tempi erreichen (Shallon benötigt etwas mehr als 1 ¾ Stunden), ausgenommen vielleicht Sir Colin Davis, der mit Chor und Orchester des Bayerischen Rundfunks in etwa vergleichbare Zeiten aufweist. Fast unvorstellbar erscheint uns heute die Angabe einer Aufführungsdauer von 135(!) Minuten, die der Noten-Ausgabe des Bärenreiter-Verlages aus dem Jahre 1977 vorangestellt ist; ein Zeitmaß, das zuletzt wohl nur von Otto Klemperer (EMI, 1967 = 137:08) erreicht wurde .
Eine ausgesprochen glückliche Hand hatte David Shallon in der Wahl seiner Solisten, wobei er es bei den üblichen 4 Stimmfächern beließ; entgegen der Partituranweisung verzichtete er auf den 2. Sopran und überließ auch die Bariton-Arie (Nr. 19) dem Bassisten.
Alle Aufführungen wurden vom Publikum begeistert aufgenommen; an die Düsseldorfer Konzerte schloss sich mit gleicher Besetzung, und ebenso erfolgreich- noch ein Gastspiel in der Alten Oper Frankfurt/Main an.
Ganz herzlich danken wir Tabea Zimmermann, die uns die DAT-Bänder aus dem Nachlass von
David Shallon für diese Schallarchiv-Ausgabe zur Verfügung gestellt hat!