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Anmerkungen zu „Clara“ von Christine Eichel

Schaut man ins Internet, aber auch in die örtliche Düsseldorfer Zeitung Rheinische Post, stellt man fest, dass das Buch von Christine Eichel

„CLARA: Künstlerin, Karrierefrau, Working Mom“

ein vielfältiges Echo erfährt und jubelnde Rezensionen auslöst.

Als Ehrenvorsitzender des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf e.V. gegr. 1818, der sich über Jahrzehnte um das Düsseldorfer Erbe der Familie Schumann gekümmert hat, bin ich etwas in Sorge, dass das nicht nur vom Musikverein geschätzte und in der Musikgeschichte einzigartige Ehepaar Schumann verunglimpft und in ein Licht gestellt wird, welches nicht den belegbaren Fakten entspricht.

Meine Sorge bezieht sich aber auch darauf, dass es den Anschein hat, dass man lustig Fake-News verbreitet und damit die seriöse Musikwissenschaft und deren Arbeit – in diesem Fall speziell diejenigen, die seit Jahrzehnten zur Familie Schumann forschen – ins vorige Jahrhundert zurückgeworfen wird.

Nun bin ich kein Musikwissenschaftler und würde mir nicht erlauben, im Stande des „letzten Wissens“ zu sein, meine aber schon, dass man sich in seriöser Weise diesem großartigen Künstlerpaar nähern müsste und dabei die heutige Beurteilung deren Lebens nicht den Blick auf die Realitäten der damaligen Welt verstellen sollte. Beim Umgang mit solch großen Künstlerpersönlichkeiten steht in meinem Verständnis immer die Liebe zu deren Lebensleistung im Vordergrund.

Unter „seriöser Weise“ verstehe ich korrekte und korrekt recherchierte Quellenangaben, die ich in diesem Buch in besonderer Weise vermisse.

Ein kleines Beispiel hierzu:

  • Die Autorin verwendet alte, zum Teil längst überholte Ausgaben mit Briefen von Clara und Robert Schumann, nicht aber die seit 2008 erscheinende, fast schon vollendete Schumann-Briefedition, hier insbesondere auch den für die Thematik so entscheidenden Braut-Briefwechsel.

Belegstellen für echte Quellen vermisst man ohnehin. Frau Eichel gibt unter „Quellen mit Siglen“ Sekundärliteratur an.

Als „Gestützt auf bisher unbeachtete Quellen“ wird das Buch vollmundig beworben. Auf Nachfrage: renommierten Schumann-Forscherinnen und -Forschern sind diese im Rahmen ihrer jahrzehntelangen Arbeit nicht aufgefallen. Merkwürdigerweise tauchen diese tollen Quellen im Buchinneren dann auch nicht mehr auf.

Dass Clara Schumann weit mehr ist als die Frau an Robert Schumanns Seite weiß die interessierte Musikwelt spätestens seit 2019, dem Jubiläumsjahr ihres 200. Geburtstags und den damaligen zahlreichen Unternehmungen, das Leben dieser bemerkenswerten Künstlerin nachzuzeichnen. Bedauerlich, dass hier jetzt längst überholte und anhand der Quellen widerlegte Klischees wieder ausgegraben werden.

Viele Exponate und an belegbaren Fakten dargestellte Situationen im Düsseldorfer Schumann-Haus berichten offenbar von einem ganz anderen Künstlerpaar. Dort finden die Besucher jedenfalls ein anderes „Storytelling“, wie es die Autorin bezeichnet.

Die eigenwillige, wohl als „modern“ gelten sollende Sprache der Autorin („Regretting Motherhood“, „toxische Beziehung“, „Work-Life-Balance“, „Working Mom“, „queer“, (um nur einige Begriffe zu nennen) setzt Denkmuster voraus, die im 19. Jahrhundert (noch) nicht existierten, weshalb sich auch Zusammenhänge und Ereignisse aus dieser Zeit nur schlecht damit beschreiben, geschweige denn bewerten lassen.

Es ist schade, dass hier Persönlichkeiten angegriffen werden, die sich nicht mehr wehren können. Und nicht zuletzt fragt man sich: Warum eigentlich? Warum verwendet man für solche reißerischen Romane reale Personen?

Weitere Beispiele:

  • Es tut fast schon weh, wenn Clara Schumann, die unter ihren Fehlgeburten nachweislich sehr gelitten hat (siehe u.a. Briefedition), diese als bewusst herbeigeführte Schwangerschaftsabbrüche unterstellt werden.
  • Wo lässt sich nachweisen, dass Clara Schumann nach ihrer Heirat „auf Geheiß des Gatten hochgeschlossene dunkle Kleider und ein sittsames Häubchen“ tragen musste, wie die Autorin gleich auf der ersten Seite ihres Buches verrät? Die zahlreichen Bilder der Pianistin zeigen dies nicht. Die von ihr freiwillig getragenen dunklen Kleider und den schwarzen Witwenschleier findet man – wie der Name schon sagt – erst nach Schumanns Ableben.
  • Als seltsame Erklärung für diese ominösen „Spitzenhäubchen“ schreibt Frau Eichel: „Folgsam trägt sie das weiße Spitzenhäubchen, das ebenso der Domestizierung dient wie Roberts Lob nach einem Diner im Hause Schumann, Clara schicke sich „ganz reizend zur Wirtin an'“
  • Die „Domestizierung“ von Clara Schumann klingt fast, als sei sie ein Haustier…

Dieses Diner war das erste in der ersten Leipziger Wohnung kurz nach der Hochzeit, wo Clara unendlich nervös war, wovon sie ausführlich im Ehetagebuch berichtet. Sehr dankbar war sie ihrem Robert für das von Frau Eichel zitierte Lob, mit dem er sie aufrichten und ihre Ängste zerstreuen wollte.

Und zum anderen hier dieses Buchzitat als echte Krönung:

  • Eichel Seite 449: „Bei einer anderen Gelegenheit – wieder tut sie ihm den Gefallen, etwas von ihm aufzuführen, diesmal im privaten Kreis – springt er wutentbrannt auf und schreit: ‚Höre auf, Clara, so spielt man nicht Schumann!‘ Danach schlägt er ihr in Anwesenheit der entsetzten Zuhörer den Klavierdeckel auf die Finger“.

Wird diese „Szene“ in irgendeinem Brief erwähnt, gibt es irgendeine belegbare Verlautbarung z.B. der „entsetzten Zuhörer“?

  • Alkoholsucht hat schon Clara Schumanns Vater Friedrich Wieck dem als Schwiegersohn ungeliebten Robert angedichtet. Er scheiterte damit vor dem Leipziger Appellationsgericht. Wenn man in der Lage ist, die „Hinweise“ in den Quellen richtig zu lesen, erkennt man nicht nur dieses Fehlurteil, sondern auch jenes über Schumanns angebliche homosexuellen Neigungen und seine queere Attitüde.

Glücklicherweise hat Clara Schumann nicht, wie im 19. Jahrhundert üblich, ihre Karriere als Konzertpianistin mitsamt der öffentlichen Aufritte nach ihrer Heirat beendet und glücklicherweise hat ihr Mann sie immer wieder zum Komponieren ermuntert. Diesem Umstand verdanken wir heute viele wertvolle Zeugnisse dieses einzigartigen Künstlerpaares, die wir sehen, hören und erleben dürfen.

Man muss nicht den einen gegen den anderen auf- oder abwerten. Clara und Robert Schumann galten und gelten beide gleichermaßen, damals schon und heute erst recht!

Ein Wort zum Buchtitel: Clara Schumann pflegte eine gesunde Distanz und legte Wert auf geschliffene Umgangsformen (siehe auch die Briefe über die Düsseldorfer Damen bzw. das „Rheinische Leben“). Mit dem Duzen war sie sehr zurückhaltend und gestattete es so gut wie niemandem. Ein Buch über sie mit dem Titel „CLARA“ hätte sie als anbiedernd empfunden und mit spitzen Fingern sofort weggelegt…

Die von mir aufgezeigten und hoffentlich korrekten Feststellungen gehen nach meiner Auffassung in eine Richtung, in der sich die Schumann-Forschung schon einmal befand als über Jahrzehnte immer mal wieder das „Gerücht“ verbreitet wurde, „Sohn Felix ist von Johannes Brahms“. Das war ja mal wirklich eine reißerische Nachricht. Den ernstzunehmenden Schumann-Forscherinnen und -Forschern gelang zwar der Gegenbeweis, trotzdem mussten sie sich mit diesem Bild über Jahrzehnte herumschlagen.

Ganz sicher war das Leben mit Robert Schumann nicht einfach, denn Roberts Erziehungsmuster entstammten dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Schaue ich aber in viele Briefe von Clara, die teilweise auch in Düsseldorf geschrieben wurden und gerade nach dem 24.2.1854 an Joseph Joachim gingen, meine ich eine tiefe Liebe und Zuneigung – bei allen Schwierigkeiten des damaligen realen Lebens – zu „Ihrem Robert“ feststellen zu dürfen.

Unverständlich bleibt mir bei Frau Eichels „Domestizierungs-Ansatz“ der unbedingte Wille, dem damaligen Leben im 19. Jahrhundert unseren heutigen Maßstab aufzudrücken und deshalb dieses Leben Clara Schumanns mit ihrem Ehemann Robert Schumann sozusagen durchgängig negativ zu bewerten.

Wir sollten uns freuen, dass wir uns über die Jahrhunderte weiterentwickelt haben und sollten uns mehr der künstlerischen Leistung des Musikerpaares zuwenden und versuchen, diesen wunderbaren musikalischen Schatz, uns von Robert und Clara geschenkt, zu genießen.

gez. Manfred Hill - Ehrenvorsitzender-

am 16.1.2025 – 12.00 Uhr

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