Wer sich den Konzert- und Tournee-Kalender der 70er, 80er und 90er Jahre ansieht, sollte meinen, dass für rein private Belange des Lebens eines aktiven Musikvereinsmitgliedes so gut wie keine Zeit mehr blieb. Erst recht galt das für die Mitglieder des Vorstandes, schließlich trugen die ja auch noch die Verantwortung für das, was sie selber „angerichtet“ hatten. Trotzdem gab es Ausnahmen: So lernte ich Anfang 1988 im Chor meine jetzige Frau (Dr. Romana Lenzen) kennen, die mir jedoch umgehend freudestrahlend erklärte, dass sie mit einem DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) -Stipendium für 2 Jahre an das Mount-Sinai-Institut of Medicine nach Mannhatten/New York entsandt werde. Das war zwar für sie eine hohe Auszeichnung, für uns jedoch bitter!
Dennoch versuchten wir das Beste daraus zu machen, und so flog ich in dieser Zeit 4 x über den „großen Teich“, was für einen notorischen Flugängstler nur mit Liebe zu erklären ist.
Meine Frau – begeisterte Chorsängerin – suchte sich in New York umgehend einen Chor, sicherlich auch um in der für sie ja so fremden Umgebung menschlichen Anschluss zu finden. Ihre Wahl fiel auf die „Oratorio Society of New York“, einen großen gemischten Traditionschor aus dem Jahr 1878, der über 30 Jahre von Andrew Carnegie geführt wurde und bis heute seine Konzerte in der berühmten Carnegie Hall aufführt. Der damalige Leiter war Lyndon Woodside. Mit ihm sprachen wir mehrfach anlässlich meiner Besuche über Möglichkeiten, den Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf doch einmal nach New York zu bringen. Lyndon Woodside gelang es dann eine Verbindung zum Management des Orchestra of St. Luke‘s herzustellen. Dazu muss man wissen, dass jährlich die Gemeinschaft der Musikkritiker in New York das nach ihrer Meinung beste Orchester der Stadt wählen. Diese Wahl war 1981 auf besagtes Orchestra of St. Luke’s gefallen, noch vor New York Philharmonic und dem Orchester der Metropolitan Opera.
So entstand die Zusammenarbeit mit dem Orchestra of St. Luke’s und Sir Roger Norrington, die im Januar 1992 zur ersten USA-Reise des Musikvereins, und zu zwei gemeinsamen Mendelssohn-Konzerten u.a. in der Avery Fisher Hall, Lincoln-Center New York, führte. (Schallarchiv Vol. 18).
Erinnerungen von Rainer Großimlinghaus im Juni 2021
Bild: Avery-Fisher-Hall in New York