Lebenslauf
Vereinsleben: Bewegte Zeiten – Pressekonferenz in Wroclaw

Wenn im Jahr 1984 ein Ensemble bestehend aus den Düsseldorfer Symphonikern und dem Chor des Städtischen Musikvereins zum Festival „Wratislavia Cantans“ reist, ist dies für beide Seiten, Deutschland wie Polen, außergewöhnlich. Die beiden Konzerte wurden von Radio Warschau aufgezeichnet, die schreibende Presse war vor Ort und auch das Fernsehen berichtete. Als für die Presse zuständiges Mitglied hatte ich schon im Vorfeld mehrfach darum gebeten, dass wir (Orchester und Chor) möglichst ein Pressegespräch sowohl für die zahlreich mitgereisten heimischen Journalisten, als und besonders für die polnischen Vertreter anbieten wollten. Auf Düsseldorfer Seite waren das Presseamt, die Rheinische Post, die NRZ und die Westdeutsche Zeitung vertreten. Das Orchester wurde durch das Vorstandsmitglied Jürgen Odenhoven, der Musikverein durch seinen Chordirektor Prof. Hartmut Schmidt, den Vorsitzenden Kunibert Jung und mich vertreten.

Mit etwas Erstaunen stellten wir fest, dass nicht ein einziger Vertreter der polnischen Presse erschien. Stattdessen nahmen am Kopfende eines langen Tisches die stellvertretende Bürgermeisterin von Wroclaw, ein Vertreter der Festspielleitung und eine Dolmetscherin Platz.

Ganz offensichtlich war man seitens der Organisatoren bzw. der Stadtpolitik der Meinung, dass ein Informationsbedarf seitens der polnischen Seite nicht zu existieren habe. Das verwunderte insofern, als grade die Zusammenstellung beider Programme durch Bernhard Klee (Mozart-Schönberg-Mozartfragment und Bruckner 9. Symphonie mit 4 Gradualien) durchaus einer Erläuterung bedurft hätten. Besonders die Einbettung des Schönberg-Werkes „Ein Überlebender aus Warschau“ im Zusammenhang mit dem Requiem-Fragment Mozarts war doch für die grauenhafte Geschichte des Zweiten Weltkriegs mehr als nur ein Fingerzeig. Als ich dann genau dieses Thema ansprach, sagte die stellvertretende Bürgermeisterin in akzentfreiem Deutsch: „Ich selber bin eine Überlebende aus Warschau!“

Es folgten unendlich lange Sekunden absoluten Schweigens und tiefer Betroffenheit.

Erinnerungen von Rainer Großimlinghaus im Mai 2021

Bild: Das innere der Magdalenenkirche während des Konzertes