Schallarchiv
Berlioz: La Damnation de Faust

Die vorliegende Aufnahme ist in mancher Hinsicht eine Besonderheit. Dies nicht nur, weil sie auch als weltweit zu erwerbende CD von BAYER RECORDS vorliegt, sondern auch, weil sie in einem Umfeld entstanden ist, das 25 Jahre später kaum nachvollziehbar scheint. Der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf hatte 1990 geradezu ein Berlioz-Festival zu bewältigen, und das nicht nur in der heimischen Tonhalle: Vom 6.-9. Juni war der Chor mit der „Damnation“ unter der Leitung von Jean Claude Casadesus in Paris und Lille, zwischen dem 14. und 17. Juni gab er mit dem gleichen Werk Gastspiele in Antwerpen, Tongeren und Amsterdam, wo die hier dokumentierte Aufnahme entstand. Dirigent: Günter Neuhold. am 6.,7. und 9. Dezember stand „Romeo et Juliette“ auf dem Programm der Städtischen Symphoniekonzerte, jedoch nicht mit den Düsseldorfer Symphonikern, sondern mit dem Residentie-Orkest Den Haag als Gast. In gleicher Besetzung wurde das Werk am 14., 15. und 16. 12 in Den Haag und Nijmegen aufgeführt, in beiden Fällen unter David Shallon.
Das Vorjahr (1989) sah nicht minder Berlioz-lastig aus: 8. – 10. Januar 1989 = 3 x das Requiem unter Gerd Albrecht in Hamburg, am 22., 25. und 26. Mai 1989 die „Damnation“ im Rahmen der DDR-Tournee in Berlin und Leipzig, 15.,16. und 18. Juni „Lelio“ in der Tonhalle (David Shallon), am 5. Juli das Requiem im Kölner Dom unter Marek Janowski. Letztlich schloss sich noch ein „Te Deum-Maraton“ an: 5.,6.,8.10 in Düsseldorf, 16.10. in Gent, 21.,22.,23. Oktober in Saarbrücken, Frankfurt und Frankfurt-Hoechst (Shallon, Tchakarov, Shallon). Letztlich am geschichtsträchtigen 9. November wie auch am folgenden 10.11.1989 das Requiem im Concertgebouw Amsterdam mit dem Royal Concertgebouw Orchestra unter Neeme Järvi. Bedenkt man, dass in den beiden Jahren 1989/1990 zu den genannten Berlioz-Werken Stücke wie „Das klagende Lied“ (CD-Produktion in Berlin) und die 8. Symphonie von Gustav Mahler (TV-Produktion in München) sowie seine 2. Symphonie (in Paris) unter den Dirigenten Riccardo Chailly und Lorin Maazel hinzu kamen, ferner Brittens War-Requiem in Köln unter Andrew Davis, Strawinskys Psalmen-Symphonie, Bernsteins Chichester Psalms, ganz zu schweigen von Schumanns Missa sacra und der „Lobgesang“-Symphonie von Mendelssohn (Shallon), dem Elias (Schmidt) und der 13. Symphonie von Schostakowitsch (Shallon), fragt man sich, wie denn das mit einem noch so ambitionierten (Laien-) Konzertchor überhaupt möglich war. Es war möglich, und wie man hört in einer erstaunlichen Qualität.
Der Faktor „Begeisterung“ für das, was man tun „durfte“, war sicher entscheidend. Die Zusammenarbeit mit weltberühmten Orchestern und Dirigenten an den unterschiedlichsten, aber eben auch prominentesten Konzertorten Europas war ein entscheidender Ansporn zu einer Leistung, die wir nur mit Staunen zur Kenntnis nehmen können. Viele der genannten Konzerte sind glücklicher Weise im Schallarchiv des Städtischen Musikvereins erhalten geblieben. Sie bieten –wie die vorliegende Dokumentation- einen beeindruckenden akustischen Spiegel jener Zeit, die in der langen Geschichte des Musikvereins sicher als einmalig bewertet werden dürfte.
Die CD-Veröffentlichung von BAYER RECORDS ist leider etwas sehr zurückhaltend in der Dynamik und Durchhörbarkeit. Im Rahmen der Möglichkeiten ist der Klang der vorliegenden Dokumentation der erfrischenden Interpretation von Günter Neuhold angeglichen worden.
Günter Neuhold