Lebenslauf
Vereinsleben: Bewegte Zeiten – Berlin und Riccardo Chailly

Eines der gewaltigsten Konzert- und Schallplattenprojekte für den Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf waren die Aufführungen und Aufnahmesitzungen von Arnold Schönbergs „Gurre-Lieder“ unter Riccardo Chailly in Berlin:

„Es waren ja noch „Vorwendezeiten“, und in Berlin (West) herrschte ein über Jahrzehnte „gepflegter“ Wettbewerb zwischen Karajans Philharmonikern und dem Rest der (Berliner) Welt, z.B. dem RSO (Radio-Symphonie-Orchester Berlin). Damals war Gerhard Hellwig, langjähriger Chef der „Schöneberger Sängerknaben“ und Ehemann der international bekannten Sängerin Janis Martin Intendant des Orchesters. Gerd Hellwig und ich waren noch aus meiner Bundeswehrzeit „alte Bekannte“. Hellwig war damals Intendant der Philharmonia Hungarica, mit der ich das erste Symphoniekonzert in einer Bundeswehrkaserne (als Wehrdienst leistender Gefreiter) organisieren durfte. Sein Nachfolger wurde Prof. Dr. Peter Ruzicka, den ich auf Hellwigs Empfehlung im damaligen Büro des RSO am Kaiserdamm besuchen durfte. Prof. Ruzicka hatte am 17. Juni 1982 in Düsseldorf anlässlich der Eröffnung des Strawinsky-Zyklus einen Festvortrag gehalten. Dabei waren die Herren des Städtischen Musikvereins mit „Le Roi des Etoiles“ Mitwirkende. Dies, und die Fürsprache des damals häufig als Gast beim RSO dirigierenden Bernhard Klee führten dazu, dass meine Gespräche mit Peter Ruzicka äußerst positiv verliefen. Riccardo Chailly war gerade Chefdirigent geworden, und es kamen Überlegungen auf, Arnold Schönbergs „Gurre-Lieder“ sowohl im Konzert, als auch für die Schallplatte (DECCA) aufzuführen. Gemeinsam mit dem seinerzeit hervorragenden „Chor der St. Hedwigs-Kathedrale“ (der übrigens im Westteil der Stadt beheimatet war!) sowie einem auf weit über 150 Musikern aufgestocktem Orchester kam diese Riesenpartitur sowohl bei den Konzerten in der Philharmonie, wie auch bei den Aufnahmesitzungen in der hierfür weltweit bekannten Jesus-Christus-Kirche, Berlin-Dahlem zum Einsatz. Es wurden Gurre-Lieder in Originalfassung, die übrigens heute (2018) noch als unangefochtene Referenzaufnahme gelten. Die grausam-schwierige Tenor-Partie des Waldemar hatte DECCA mit Placido Domingo besetzen wollen. Aus welchen Gründen auch immer zerschlug sich dieses Vorhaben. In den Berliner Konzerten sang dann Heikki Siukola die Partie (Schallarchiv Vol. 119). DECCA nahm die entsprechenden Passagen ohne Tenor auf, um sie später dann in London von Siegfried Jerusalem  nach-synchronisieren zu lassen.“

Erinnerungen von Rainer Großimlinghaus im Dezember 2017

Bild: Riccardo Chailly - Hartmut Schmidt - Kunibert Jung - in Berlin bei der CD-Produktion der Gurre-Lieder für DECCA.