Neubau der Oper – Appell an den Stadtrat als Offener Brief in die Stadtgesellschaft
Sehr verehrte Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zum o.g. Thema,
als Ehrenvorsitzender des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf e.V. gegr, 1818 erlaube ich mir, Sie um ein positives Votum für den Neubau der Oper zu bitten.
Zunächst werden Sie mich, als Vertreter des ältesten und seit Gründung 1818 immer existierenden Kulturinstituts der Stadt, in die Schublade „Klassik“ legen. Da gehöre ich aber raus, weil meine musikalische Ausrichtung über alle Genres geht und nicht verengt betrachtet werden kann. Als Gründer und Projektmanager der SingPause-Düsseldorf bin ich auch nicht "klassikverdächtig" sondern eher "bildungsbasiert" im Sinne der Grundschulkinder.
In den letzten ca. 40 Jahren habe ich bei Musikvereinskonzerten den großen Dirigenten immer eine musikalische Stadtführung angeboten. Vielfältig wurde dies wahrgenommen und zwar von solchen Künstlern wie z.B. Bernhard Klee, Wolfgang Sawallisch, Sir Neville Marriner, Sir John Elliot Gardiner, Andrey Boreyko, Andreas Delfs, Carl St. Clair u.a.m.). Bei allen Rundgängen fehlte nie die Elektronik-Szene, der Ratinger Hof, Creamcheese und die Toten Hosen. Alle diese international ausgerichteten Künstler mit teilweiser Weltgeltung waren immer beeindruckt von der musikalischen Potenz, Vielfältigkeit und der Geschichte der Stadt.
Zu dieser Geschichte gehört auch die Tatsache, dass vor 428 Jahren hier die erste opernähnliche Veranstaltung nördlich der Alpen stattfand (Orpheus und Amphion anlässlich der Fürstenhochzeit 1585), aber auch die Jan Wellemsche Hofmusik Weltgeltung errang und mit Gründung des Musikvereins die bürgerliche Musikkultur im Rheinland ihren Anfang nahm. Am 10. und 11.5.1818 wurde mit der Gründung der "Niederrheinischen Musikfeste" das damals größte Musikfest Europas aus der Taufe gehoben und der Grundstock für die "alte" Tonhalle (heute Karstadt) gelegt. Haydns "Schöpfung" und "Jahreszeiten" waren die Musik dazu. Ohne diese Entwicklungen hätte sich die Bewegung von Bürgerinnen und Bürgern mit Gründung des Musikverein nicht halten können und Mendelssohn und Schumann hätten die Stadt niemals gesehen.
Immer wurden in dieser Stadt Entscheidungen getroffen, die die Stadt, trotz ihrer geringen Größe im Konzert der Groß- und Weltstädte, entwickelt und nach vorne gebracht haben. Das beginnt nicht nur beim Rheinufertunnel sondern ohne strategisch denkende Stadtentscheiderinnen und -entscheidern hätten wir nicht dieses Messe-Fundament, gäbe es keine Japan-Kolonie, hätten wir keinen Platz für die Erweiterung der Schienennetze gehabt, hätten wir die Tonhalle nicht ausgebaut im 19. Jahrhundert, kein Ständehaus errichtet, keine Weltmessen zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut und die heutige Tonhalle und den Ehrenhof gäbe es auch nicht.
Mit dieser unvollständigen Aufzählung epochaler Ereignisse möchte ich den Entscheiderinnen und Entscheidern für den Neubau der Oper die Bedeutung ihrer Entscheidung für die nachhaltige Entwicklung einer Stadt, die sich in vielen Punkten als multifunktional, kulturell basiert, tolerant und offen bezeichnen darf, vor Augen führen.
Eine solche Stadt braucht mutige Entscheiderinnen und Entscheider mit Weitblick für ein Generationenprojekt, wie es dieser Opern-Neubau nun einmal ist. Die Attraktivität der Stadt wurde durch Errichtung des Rheinufertunnels um 100 % aufgewertet, der Kö-Bogen entwickelt sich ohne Hochstraße zum innerstädtischen international gelobtem Juwel, die Wehrhahn-Linie fand Gehör bis in die New York Times. Bauliche Veränderungen im Umfeld der Kö gehen in die Milliarden, weil die Privatwirtschaft entwickelbare Potentiale erkannt hat und sie werden die Stadt und deren Image weiterentwickeln. Viele andere Beispiele könnten noch angeführt werden.
Die Entscheidung ist eine Entscheidung für kommende Generationen. Das heutige Opernhaus ist völlig untauglich für einen international ausgerichteten Opernbetrieb. Die Deutsche Oper am Rhein ist mit allen ihren Instituten eine Größe in der Opernwelt. Oper und Theater haben das Potential sich mit unseren kommenden digitalen Welten in einer uns heute nicht vorstellbaren Weise zu vermischen und damit auch ganz andere Interessen zu wecken.
Bei allen Diskussionen und Treffen von Bürgerinnen und Bürgern in WorkShops zum Thema „Oper für alle“ habe ich mitgearbeitet. Dort kam nie ein nennenswerter Zweifel auf, dass diese Stadt eine neue Oper benötigt. Wir diskutierten mit hohem Zeitaufwand wünschenswerte Möglichkeiten, die verknüpfbar sein sollen mit alternativen Konzepten. Wir waren auf einem guten Weg. Die nun neuerlich entstandene politische Position macht mich ein wenig ratlos, da diese in unseren ganzen Diskussionen nur ein Randthema war und wir uns jetzt wieder auf das Diskussions-Niveau eines kleinen konservativen Vereins mit Vergleichen von „Oper gegen Kindergärten“ hinbewegen. Die Vertreterinnen und Vertreter dieser Diskussionslinie waren in den Veranstaltungen anwesend, ließen aber die jetzige Entwicklung der Diskussion nicht ahnen.
Nach einem internationalen Wettbewerb sind vielleicht ganz andere Perspektiven erkennbar, die heute noch niemand auf dem Schirm hat. All dies wird viele Jahre benötigen, ein Stopp würde dem Ansehen der Stadt weltweit schaden, ein Go würde die Dinge in Gang setzen und vielleicht gänzlich andere Möglichkeiten erörtern lassen.
Liebe Entscheiderinnen und Entscheider, stimmen Sie für den Neubau, stimmen Sie für einen Standort, seien Sie sich Ihrer Verantwortung für das Ansehen und die Aufrechterhaltung der kulturellen Kraft dieser wunderschönen Stadt bewusst.
Seien Sie mutig und weitblickend und Sie werden nach Fertigstellung in vielleicht fünfzehn Jahren sagen können, dass Sie die wunderbare Entwicklung Düsseldorfs im 19. und 20. Jahrhundert mit Ihrer Entscheidung im 21. Jahrhundert maßgeblich befördert und mitbeeinflusst haben.
Mit besten Grüßen bin ich
Ihr
Manfred Hill
-Ehrenvorsitzender-
am 10.6.2023 – 15.00 Uhr
Bild: Im Bild sehen Sie den Blick von der Bühne des Opernhauses nach einem Konzert der Düsseldorfer Symphoniker und des Musikvereins und der Leitung von Dmitry Sitkovetsky (Bild: Musikverein)