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Menschenrechtskonzert: Dankesrede von Sergej Lukaschewski

Dankesrede von Sergej Lukaschewski zur Verleihung des Menschenrechtspreises der Tonhalle Düsseldorf

Sergej Lukaschewski bei seiner Dankesrede(Photo credit: Susanne Diesner)

Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Englisch spreche. Es ist eine große Ehre für mich, in dieser wunderbaren Konzerthalle zu sein, auf dieser Bühne zu stehen und diese sehr hohe Auszeichnung entgegenzunehmen. Ich verstehe, dass drei Reden vor der Musik vielleicht etwas zu viel sind, aber ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie um einige weitere Minuten ihrer Aufmerksamkeit bitte.

Ich bin sehr beeindruckt, wie viele Menschen heute hier zusammengekommen sind, und ich glaube, dass Sie sich hier versammelt haben, wegen der Menschenrechte. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschenrechte der wichtigste Protagonist dieser Ehrung sind. Ich bin nur einer von Tausenden Aktivisten, die sich darum bemühen, die Bedeutung der Menschenrechte für den Erhalt und die Entwicklung der Menschheit zu verdeutlichen.

Herr Fischer, Sie haben bereits viel über die Bedeutung von Andrej Sacharow gesagt und ich bin sehr dankbar, dies von Ihnen zu hören und danke Ihnen sehr. Heute ist Sacharow ein Symbol, dass die russische Opposition und verschiedene Aktivisten vereint. Er ist die Brücke geblieben zwischen dem gesunden Teil der russischen Gesellschaft und der freien Welt. Sacharow symbolisiert rationales Wissen gegen Verschwörungstheorien, moralische Ideen gegen die Boshaftigkeit der reellen Politik und die Würde einer menschlichen Persönlichkeit gegen die Bitternis der Macht. Sacharow war ein außergewöhnlicher Physiker und die Forschung der Teilchenphysik und der Kosmologie erlaubten ihm, zu erkennen, dass extrem kleine Dinge das Globale determinieren. Sacharow bestand darauf, dass das Ringen um Frieden und Menschenrechte unmittelbar ineinandergreifen (zusammengehören).

Heute habe ich auch ein kleines Geschenk für Sie: Es sind die wichtigsten Worte von Andrej Sacharow; „Frieden, Fortschritt und Menschenrechte“. Wir haben dieses Souvenir in Erinnerung daran gestaltet. Diese Worte sind wirklich sehr bedeutend, denn der Respekt vor den Rechten des Individuums ist von grundsätzlicher Bedeutung, nicht nur, weil wir glauben, das dies gut wäre. Menschenrechte sind ein fundamentaler Bestandteil der Formel für das Überleben der Menschheit. Die Missachtung der Menschenrechte führt zu Kriegen. Politische Regimes, die nicht die Rechte ihrer Bürger respektieren, scheuen keine militärische Aggression und heute ist Russland ein offensichtliches Beispiel einer solchen Situation.

Respektieren der Menschenrechte ist nicht nur eine notwendige Überzeugung, sondern auch eine Anforderung der Vernunft. Das Streben nach Frieden und friedlicher Koexistenz ist unvereinbar mit dem Tolerieren von Menschenrechtsverletzungen. Viele Jahre lang hoffte Westeuropa – und Deutschland im Besonderen –, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit der Schlüssel zum Frieden sei. Als russische Verteidiger der Menschenrechte massenhafte Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien, politische Verfolgung und Morde anprangerten, hörten uns westliche Diplomaten und Politiker mit respektvoller Aufmerksamkeit zu. Sie halfen, Menschen zu retten und drückten ihre Besorgtheit aus. Aber dann schienen sie einen besonderen Knopf zu drücken, wechselten das Thema und verhandelten wie bisher auf die übliche Weise mit Putin. Seitdem ist die Politik nicht nur damit gescheitert, den Frieden in Europa zu retten, sondern führte auch zu großen Schwierigkeiten für die europäische Wirtschaft. Ich bin sicher, dass es eine bedeutende Lektion ist, die aus dieser Erfahrung gelernt werden muss. Die tragischen und dramatischen Ereignisse der vergangenen beiden Jahre lehrt uns eine andere Lektion. Und ich wende mich noch einmal Sacharow zu, aber auch der deutschen Literatur. Mit seinen ersten Schritten zum Weltruhm, den „Gedanken über Fortschritt, friedliche Koexistenz und Geistige Freiheit“ bezog sich Sacharow auf Goethe. (Ich bitte um Entschuldigung für meine deutsche Aussprache)

„Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss“.

Sergej Lukaschewski präsentiert den Menschenrechtspreis der Tonhalle zusammen mit dem Initiator Maestro Adam Fischer (Bild: susanne.diesner/tonhalle)

Frieden und Leben kommen nur bei jenen an, die sie täglich auf’s Neue erobern. Heute eignen sich die Ukraine und ihre Menschen diese Worte buchstäblich an, indem sie mit Waffen ihre Freiheit verteidigen. In Russland müssen Tausende Menschen gegen eine militaristische Diktatur ankämpfen um die Wahrheit zu verteidigen: Alexej Nawalny (… und weitere Namen von Eingekerkerten) und Hunderte andere Gefangene Putins zeigen, dass die Wurzeln der Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit nicht durch die Diktatur ausgerottet werden können und in der russischen Gesellschaft verbleiben. Deshalb möchte ich die Möglichkeiten dieser Auszeichnung nutzen, um zwei Organisationen zu unterstützen, deren Arbeit sehr bedeutend ist. Das ist das „Ukraine Center for Civil Liberties“, das 2023 den Nobel-Friedenspreis bekam. Sie erledigen eine wichtige Aufgabe, die Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen während des Ukraine-Krieges. Die zweite Organisation ist die gerade erst gegründete „30 October Foundation“. Das Ziel ist die Unterstützung der Familien der russischen politischen Gefangenen.

Aber zurück zu Goethes Worten: sie richten sich nicht nur an jene, die sich einer existenziellen Herausforderung gegenübersehen, in der sie ihr Leben oder Freiheit riskieren. Sie sind an jedermann adressiert, denn heute sehen sich die Deutschen, die Menschen in Europa, die Bürger demokratischer Länder auch vor die Entscheidung gestellt, zu versuchen so zu leben wie zuvor oder auf die Herausforderung zu antworten, die Diktaturen für die Freiheit bedeuten. Und heute bedeutet diese Antwort: der Ukraine zu helfen, die starken Verteidigungsmöglichkeiten wieder aufzubauen, die Demokratie zu repräsentieren und Menschenrechte zu verteidigen. Und ich möchte diese Möglichkeit auch nutzen, „Correctiv“, einer journalistischen Organisation zu danken. An den ersten Tagen, als ich in Deutschland war, boten sie mir und meinen Kollegen Hilfe, Zusammenarbeit und Unterstützung an. Zusammen haben wir „Radio Sacharow“ ins Leben gerufen. Und diese Dankbarkeit ist verbunden mit der Ehre, Teil dieses Kollektivs zu sein, das die Verteidigung der Demokratie und der Menschenrechte in Deutschland kreativ unterstützt.

Ich möchte mit einigen Worten der Dankbarkeit schließen. Zuerst danke ich meiner Familie und besonders meiner Frau Katharina hier im Saal. Meine Liebe, du hast mich mit Liebe unterstützt und ermutigt während des ganzen schwierigen Weges. Und auch meine Dankbarkeit meinen Freunden und Kollegen vom Sacharow Center, Memorial, der Moskauer Helsinki Gruppe, der deutschen Sacharow-Gesellschaft und vielen Menschenrechtsorganisationen.

Noch einmal danke ich Ihnen, lieber Herr Fischer und dem ehrwürdigen Auditorium für diesen Preis und bezugnehmend auf Andre Sacharow glaube ich an die Kraft der menschlichen Intelligenz und das Vertrauen in die Idee der Menschenrechte, die die Menschheit in die Lage versetzen wird, den Weg zu einem beständigen Frieden und allgemeinem Wohlstand zu finden. Unter jenen Themen, die uns auf diesem Weg helfen, vereinigen und ermutigen, ist die Kultur und besonders die Musik – eine gemeinsame Sprache für Millionen. Lassen sie uns (das Konzert) genießen und stehen Sie zusammen für Menschenrechte ein.

(Aus dem englischen Redetext des Tonhallenmitschnitts übertragen von Karl-Hans Möller. Die Rede fand am 28. Januar statt. Beitragsbild: