Ferdinand Ries (1784-1838) – Interimsmusikchef zusammen mit Louis Spohr von 1824 bis 1833:
Ferdinand Ries (Bild) entstammt einer musikalischen Familie, die seit den Zeiten seines Großvaters Johann (1723-1784) mit der kurkölnischen Hofkapelle in Bonn verbunden war; der Vater Franz Anton (1755-1846) glänzte als Wunderkind auf der Geige und bekam im Alter von elf Jahren eine Anstellung in der Hofkapelle. Er unterrichtete den jungen Beethoven, dem er besonders in der Zeit nach dem Tode von dessen Mutter (1787) unterstützend zur Seite stand.
Sein künstlerisches Leben kann als äußerst bewegt bezeichnet werden, wie dem nachfolgendem Ab-schnitt aus der von Bert Hagels erstellten Vita zu entnehmen ist:
“Im Frühjahr 1813 beschließt Ries, nach London zu gehen, wo er im April eintrifft. Dort wird er von Johann Peter Salomon – derselbe, der 20 Jahre vorher Haydn nach London geholt und so Anlaß zur Komposition von dessen Londoner Symphonien gegeben hatte – in die führenden musikalischen und gesellschaftlichen Kreise eingeführt. In London hatte Ries endlich den lang erstrebten Erfolg; er kam als Klavierlehrer bei reichen Bankiers und Kaufleuten in Mode und wurde Mitglied der dortigen Phil-harmonic Society, deren Direktor er von 1815 bis 1821 war. In seiner Londoner Zeit (1813-1824) schrieb er Fantasien, Variationen und Rondos über bekannte Themen nach dem Geschmack des zeit-genössischen bürgerlichen Publikums, aber auch sechs seiner insgesamt acht Symphonien. Er dürfte gut verdient haben und konnte es sich leisten, eine Familie zu gründen: am 25. Juli 1814 heiratet er Harriet Mangeon (1796-1863). Ab 1820 traten jedoch Zwistigkeiten mit der Philharmonic Society auf; Ries beschwerte sich, seine Symphonien würden zu selten aufgeführt. Im Jahr 1821 legt er das Direk-torat nieder und schmiedet Pläne zu einer Rückkehr ins heimische Rheinland. Im Juli 1824 setzt er sie in die Realität um und zieht sich mitsamt seiner mittlerweile vierköpfigen Familie für die nächsten drei Jahre in die Abgeschiedenheit von Godesberg zurück. Nun ist er ein wohlhabender Mann, der es sich erlauben kann, verschiedene Stellenangebote abzulehnen. Gleichwohl bemüht er sich erfolglos um die Kapellmeisterstellen in München und Dresden, letzteres in der Nachfolge C. M. von Webers. Seine wichtigste musikalische Tätigkeit in dieser Zeit war die Leitung einiger Niederrheinischer Musikfeste in Düsseldorf, anläßlich deren er ein Oratorium komponiert und einige seiner Symphonien zur Aufführung bringt. Im April 1827 zieht er nach Frankfurt/Main um, ist aber ständig unzufrieden mit seiner Position in der musikalischen Welt; er erwägt, nach Wien, Paris, Berlin oder zurück nach London zu gehen, bleibt aber – unterbrochen von einigen Reisen – in Frankfurt seßhaft. Ab 1830 verbittert er zunehmend, beklagt sich über den modernen Musikgeschmack und komponiert nur noch wenig; seine Werke wer-den, wenn überhaupt, nur noch von unbedeutenden Verlagen zu geringen Preisen genommen. Als er am 13. Januar 1838 gerade dreiundfünfzigjährig stirbt, war er schon derart in Vergessenheit geraten, daß keine der führenden Musikzeitschriften einen Nachruf publizierte. Erst im Jahr 1839 erschien in der von Robert Schumann gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik eine Würdigung von Ries’ Persönlich-keit und Werk; dort heißt es etwas bilderselig, aber gewiß zutreffend über seine Sinfonik: “Seine Symphonien, obwohl sie weder Haydn’s ewig jugendlichen, göttliche Heiterkeit sprudelnden Schöp-fungen, noch Mozart’s ätherischen, mit dem Schmerz und der ewigen Sehnsucht getränkten Gebilden an die Seite zu stellen, und ob sie auch mit der himmelstürmenden Kühnheit, dem gigantischen Ge-dankenfluge Beethoven’s, dieses musikalischen Titans, keinen Vergleich ertragen können, werden trotzdem immer zu dem Besten gehören, was die neuere und neuste Zeit in diesem Genre zu Tage gefördert hat.”
Quelle: Bert Hagels