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Ferdinand Hiller: Konzertserie mit „Saul op. 80“ in fünf Städten

1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.

 

Unter diesem Motto standen die fünf Konzerte an verschiedenen Orten in Nordrhein-Westfalen, die der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf zusammen und in Federführung der Kölner Akademie für den Oktober 2021 plante. Die außerordentlich komplizierten Vorbereitungen stellten an den Chordirektor Prof. Dennis Hansel-Dinar und an den Musikvereinsvorsitzenden Stefan Schwartze allerhöchste Anforderungen. In besonderer Weise waren die Sängerinnen und Sänger des Chores gefragt. Digitales Proben für ein Konzert hatte noch niemand erlebt. Einzelnes Vorsingen in einen Computerbildschirm auch noch nicht.

Die folgenden zwei Beiträge machen die Probleme und das so überaus schöne Ergebnis deutlich. Der Sänger Karl-Hans Möller aus dem Bass berichtet über seine Empfindungen im pandemischen Choralltag und der Ehrenvorsitzende Manfred Hill berichtet von seinem Konzerterlebnis in Dortmund und Düsseldorf:

Donnerworte....

Probennotat von Karl-Hans Möller (Bass)

Die mögliche Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs kennzeichnet einen wichtigen und zudem neuen Aspekt der jetzt über einen langen Zeit erlebten Probenarbeit am Oratorium „Saul“. Die Beschäftigung mit diesem großartigen Werk, dessen musikalische Qualität und musikhistorische Bedeutung sich vielen Sängerinnen und Sängern erst langsam, aber dann sehr intensiv erschlossen hat, überbrückte die schwere Zeit der pandemiebedingten Einschränkungen.

Exakt heute (am 7.Oktober, dem Tag des Schreibens dieser Zeilen) jährt sich der letzte Auftritt des Konzertchors der Landeshauptstadt in der Tonhalle zum zweiten Mal. Danach übernahm Covid19 den Takt des Musizierens. Zunächst durften wir Kleinstgruppen mit Hilfe von Prof. Dennis Hansel Dinar, Constanze Pitz und Grant Sung von Zuhause aus am Bildschirm, vor teilweise klang-verzerrenden Mikrofonen korrigieren, was wir mit und nach dem Studium der ins Netz gestellten Vokalbeispiele erarbeitet hatten. Intensives Ringen um Melodie und Rhythmus ohne das Glücksgefühl erlebten Chorklangs brauchte Motivation und ein Ziel – eines, das jetzt wirklich erreicht ist!

Schon vor der Premiere genießen wir jetzt aus vollem Herzen das Vergnügen gemeinsamen Singens im Probensaal in wachsender Besetzung. Anfangs waren manche Stimmgruppen nur nahezu solistisch besetzt. In einer dieser Proben waren wir im Bass nur zu zweit, und zu Beginn des 10. Satzes nach Samuel Zornespredigt gegen Saul brüllte ich trotz nicht bemerkter Pianoforderung des Komponisten „Welche Donnerworte!“ im Fortissimo. Der Bass beginnt diesen Chorsatz des Erschreckens, ist also für dessen Attitüde zuständig. Also wurde ich freundlich auf meinen „faux pas“ hingewiesen – nicht ohne eine weitere Vertiefung des Verständnisses der dramaturgischen Linie des Oratoriums, dessen alttestamentarische Historie sich immer wieder neu erschließen musste.

Anfänglich starke Irritationen über sehr brutale Textpassagen relativierten sich durch die Erkenntnis einer kritischen Position des Komponisten zu der ungöttlichen Aggressivität und Gnadenlosigkeit. Die Probendisposition ließ natürlich kein lineares Erleben des Werkes zu, so dass das Bemühen des Chordirektors und seiner beiden AssistentInnen Constanze und Grant, immer auch auf die inhaltlichen Anschlüsse hinzuweisen und die Dynamik nicht nur mit Verweis auf die Vortragsbezeichnungen des Komponisten, sondern auf ihren inhaltlichen Impuls zu begründen, ein permanentes sein musste.

Irgendwie war ich ob meines Donnerwort-Irrtums beschämt, denn es war ja früher am Theater mein Beruf, die Dramaturgie eines Stückes zu ergründen, darzulegen und in die Interpretation einzubringen. Aber gerade deswegen habe ich die inhaltsbezogene und damit Logik transportierende Probenarbeit so genossen. Wir alle haben gemerkt, dass Tempi, Dynamik, Phrasierungen und Lautstärken, die sich mit dem Wissen um das „Was“ und „Wie“ der auf den Fortgang der Geschichte folgenden Wortaussage verbinden, leichter zu erkennen und zu verinnerlichen sind.

Das Resultat wird man TOI TOI TOI Ende Oktober bei 5 Konzerten in Essen, Köln, Duisburg, Dortmund und Düsseldorf erleben oder später auf der parallel produzierten CD hören können.

Karl-Hans Möller am 8.10.2021

"Auferstehn.... - ja auferstehn" - Auferstanden...

Kommentar eines glücklichen Ehrenvorsitzenden:


Der 31. Oktober 2021 wird ganz sicher in die große Geschichte des Städtischen Musikvereins als Hoffnungs- und Wendepunkt eingehen. Die unsere ganze Gesellschaft beherrschende Pandemie hat natürlich auch den Konzertchor des Musikvereins in große Schwierigkeiten gebracht, wie dies mit allen Chören geschehen ist.

Am 7.3.2020 fand die letzte Probe in Präsenz des Musikvereins statt. Ab dann Lock-Down, proben in digitalen Formaten, Open-Air-Proben als Versuch unter dem Dach des Haupteingangs  der Tonhalle und viele andere Dinge mehr, die vor allen Dingen dem Erhalt des Zusammengehörigkeitsgefühls dienten.

Am 16.5.2020 verwies Tonhallenintendant Michael Becker den Leiter der Kölner Akademie, Michael Alexander Willens, an mich wegen einer Konzertanfrage. Hintergrund der Anfrage war ein von Herrn Willens angedachtes Konzertprojekt unter der Überschrift "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".  Willens Plan sah im Mai 2020 wie folgt aus: Aufführung des Oratoriums "Saul" von Ferdinand Hiller an vier bis fünf Konzertorten in NRW. Ich stimmte sofort zu und bekam auch die Zustimmung des damaligen Vorstandes unverzüglich. Herr Willens dachte terminlich an Ende Oktober 2020. Sehr schnell wurde uns bewusst, dass ein solch ambitionierter Zeitplan unter Pandemie-Bedingungen nicht zu realisieren sei. Hinzu kam, dass wir zu diesem Zeitpunkt eine neue Chorleitung suchten und Stefan Schwartze als designierter neuer Vorsitzender im Gespräch war. Mit Michael Alexander Willens wurde dann das Projekt einvernehmlich auf den Oktober 2021 verschoben. Im Musikverein konnten wir den Wechsel im Vorsitz am 26.6.2020 realisieren, konnten Prof. Dennis Hansel-Dinar als Chordirektor, mit dem sehr positiven Votum der Sängerinnen und Sänger und dem Segen von Adam Fischer, verpflichten und konnten dem Chor unsere neue Datenbank vorstellen. Noch lange vor der Mitgliederversammlung übergab ich Stefan Schwartze, der zu diesem Zeitpunkt Schriftführer des Musikvereins war, das Projekt "Saul" wohlwissend, dass die Realisierung in einer Zeit liegen wird in der ich nicht mehr in der ersten Reihe der verantwortlichen des Musikvereins stehen werde. Die Mitgliederversammlung ernannte mich auf Antrag des Vorstandes zum Ehrenvorsitzenden mit dem Aufgabenbereich "SingPause-Düsseldorf" und ich durfte für mich beruhigt feststellen, dass ich doch wohl offensichtlich " mein Feld bestellen" konnte.

Aber da gab es ja noch die Pandemie: Stefan Schwartze nahm die Dinge beherzt in die Hand, musste in vielen Dingen Umdenkungsprozesse im Chor anstoßen und auch unbeliebte Entscheidungen treffen. Seltsam geteilte Mitsingkonstellationen in digitaler Form entstanden, Gruppen mussten sich digital zusammenfinden und all dies musste eine Organisationsform finden. Der Blick auf die sich pausenlos ändernden Corona-Verordnungen wurde für den Vorsitzenden zum Alltag und erforderte immer wieder neue Organisationsstrukturen. Prof. Dennis Hansel-Dinar war gerade in diesem Moment der ideale professionelle musikalische Partner, der in bewundernswerter Weise die zu Hause vor Bildschirmen sitzenden verzweifelten Sängerinnen und Sänger immer wieder ermutigen und stützen konnte. Es entstand eine kongeniale Zusammenarbeit zwischen der künstlerischen Leitung, dem Management und den aktiven Sängerinnen und Sängern. Ein weiterer Glücksfall war eingetreten.

Bei der dann im jetzigen Oktober realisierten Konzertserie standen ca. 60 Sängerinnen und Sänger auf dem Chorpodium, die sich allesamt ganz sicher immer wieder "auf die Schulter klopften", dass sie diese Zeit mit enormen Durchhaltevermögen bei Zoom und Team und anderen digitalen Versuchen überstanden haben. Jede und jeder einzelne kann und darf Stolz auf das Ergebnis sein.

Die Konzertserie fand an folgenden Konzertorten statt:

  • Freitag, der 22. Oktober in der Kreuzeskirche, Kreuzeskirchstr. 1 in 45127 Essen. Der Konzertbeginn ist um 19:30 Uhr.
  • Samstag, der 23. Oktober in der Salvatorkirche, Burgplatz 19 in 47051 Duisburg. Der Konzertbeginn ist um 19:00 Uhr.
  • Sonntag, der 24. Oktober in der Trinitatiskirche, Filzengraben 4 - 6 in 50676 Köln. Der Konzertbeginn ist um 17:00 Uhr.
  • Samstag, der 30. Oktober im Konzerthaus Dortmund in der Brueckstr. 21 in 44135 Dortmund. Der Konzertbeginn ist um 19:00 Uhr.
  • Sonntag, der 31. Oktober in der Tonhalle, Ehrenhof 1 in 40479 Düsseldorf. Der Konzertbeginn ist um 18:00 Uhr.

Die beiden letzten Konzerte im Konzerthaus in Dortmund und in der Tonhalle Düsseldorf durfte ich als Zuhörer erleben. Wie berichtet wurde war der Zuspruch der Zuhörerinnen und Zuhörer mangels Werbung in den ersten vier Konzertorten enttäuschend. In der Tonhalle jedoch, am gestrigen Abend, war dann der Abschluss der Konzertserie auch das erhoffte Konzerterlebnis mit einem sehr guten Zuspruch der Zuhörerinnen und Zuhörer. Ein klassisch romantisches Oratorium mit immerhin zweieinhalb Stunden Musik, vielen Solisten und einem ständig präsenten Chor war für die heutige Zeit, die ja zunehmend von einer gewissen "Häppchen-Kultur" geprägt ist, schon eine Herausforderung. Es wurde in folgender Besetzung gespielt:

Ferdinand Hiller: Saul op. 80

Thilo Dahlmann - Saul
Andreas Post - David
Thomas Bonni - Samuel
Hanna Herfurtner - Michael
Elvira Brill - Hexe
Klaus Walter - Jonathan
Martin Lukas - Ein Diener, ein Bote Sauls

Kölner Akademie
Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf (Einstudierung: Prof. Dennis Hansel-Dinar)
Leitung: Michael Alexander Willens

 

An allen Aufführungsorten gab es viel Beifall für alle Akteure, in Düsseldorfs Tonhalle durften sich die Musiker und Sängerinnen und Sänger über Standing-Ovations freuen und man konnte den Gesichtern im Chor das Glück und die Zufriedenheit über die so überaus positive Publikumsreaktion ansehen. Nach fast zwei Jahren wieder vor Publikum zu stehen und eine solch überwältigend positive Reaktion zu erfahren ließ ganz sicher all die viele und vor allen Dingen die außerordentlich ungewöhnliche Arbeit unter Pandemiebedingungen vergessen lassen.

Ich enthalte mich jeglicher musikalischer Wertung und überlasse dies der professionellen Kritik, will aber hier nur feststellen, dass die Zuhörerschaft einen enorm präsenten Chor erlebte, der dramatische und innige Momente herstellen konnte. Die Gemeinschaft der Sängerinnen und Sänger fand sich nach bald zweijährigem Singverbot wieder zu einer verschworenen Chorgemeinschaft zusammen, die innig mit dem Chordirektor Prof. Hansel-Dinar verbunden ist und dessen Anforderungen in besonders gelungener Weise umsetzte.

Ein großes Lob und ein großer Dank an die Intendanz der Tonhalle Düsseldorf darf nicht fehlen. Intendant Michael Becker hat sich für die Realisierung eingesetzt, die Tonhalle hat ein wunderbares Programmheft erstellt und auch für Publikum gesorgt. Nach dem Konzert lud die Tonhalle alle Akteure und auch die Gäste des Musikvereins zu einem Umtrunk in das Grüne Gewölbe der Tonhalle ein. Michael Becker fand sehr wertschätzende Worte für Michael Alexander Willens und sein Orchester und für die Solisten. In besonderer Weise lobte er den Musikverein und brachte seine Freude zum Ausdruck, dass der Musikverein mit einem sehr guten musikalischen Ergebnis wieder in seiner Heimstatt auf dem Podium stand.

An all diesen Momenten macht sich fest, warum ich nach 54jähriger sängerischen Tätigkeit im Musikverein in meiner Überschrift die Worte "Auferstanden" und "Glücklich" verwende.

Mit allen guten Wünschen an alle Sängerinnen und Sänger und alle Verantwortlichen im Chor des Städtischen Musikvereins bin ich

Ihr/Euer

Manfred Hill

-Ehrenvorsitzender-

am 1. 11. 2021 - 21.00 Uhr

Die nebenstehenden Bilder wurden von folgenden Fotografen erstellt: Bezeichnungen sind noch in Arbeit - auch die Bildunterschriften)