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Familiennachrichten: Joachim Günther verstorben

Abschied von Joachim Günther

Am Mittwoch, dem 6. September, erreichte uns völlig unerwartet die Nachricht vom Tode unseres Mitsängers im Tenor, Joachim Günther. Die Chorprobe am Donnerstag eröffneten wir mit einer kleinen musikalischen Gedenkfeier, in deren Mittelpunkt ein Kanon stand, den Prof. Hansel Dinar zu den Worten des Psalms 56,13 nach Motiven aus Ferdinand Hillers „Saul“ gestaltet hatte.

Unser Mitgefühl gilt seiner Tochter und seinem Sohn mit ihren Familien, insbesondere seinem Enkel Felix, dessen innig – heitere Beziehung zu seinem Großvater uns in Proben und Konzerten stets berührt hatte.
Die Messe wird am 15. September 2023 um 8:00 Uhr in St. Martinus, Kaarst, gefeiert. Um 9:00 Uhr wird er auf dem Friedhof in Kaarst zu Grabe getragen.

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
Rilke, Schlussstück

Zum Tode Joachim Günthers, dessen Stimme uns 33 Jahre im Tenor begleitete

„Ich bin eben ein begeisterter Sänger.“ Dieser lakonische Satz reichte ihm als Erklärung aus für 600 konzertante Chorauftritte seit 1975, davon 327 mit dem Musikverein. Seit 33 Jahren gehörte er verlässlich und regelmäßig zu den Stützen des Chores im Tenor. Er zählte zu den Auserlesenen, die sicher vom Blatt sangen, und war mit dieser Fähigkeit auch Mitglied des semiprofessionellen Extrachores der Deutschen Oper am Rhein, der projektweise den Opernchor in bestimmten Aufführungsserien verstärkt.

Begonnen hatte alles mit 9 Jahren im Kinderchor in Meißen. Dort wurde mit Singen und Geigenspiel seine Freude an der Musik geweckt, die ihn sein Leben lang begleitete. In allen Lebensstationen im Anschluss an seine Übersiedlung aus der DDR in den Jahren vor dem Mauerbau blieb die Chormusik eine Konstante in seinem Alltag, die er in vielen Chöre praktizierte. In den städtischen Musikverein führte ihn ein Zufall. Einer unserer Mitsänger, der als Gast in einem anderen Chor aushalf, lernte Joachim Günther dort kennen und erfuhr, dass er aus der sächsischen Oberschule Russischkenntnisse mitbrachte. Kurzerhand lud er ihn ein, bei der Aufführung eines Werkes in russischer Sprache mitzuwirken. Er blieb für immer.

Ursprünglich hatte er Musik studieren wollen. Aber ohne Beruf im fremden Land, abgeschnitten von Familie und Freunden stand die Existenzsicherung im Vordergrund und so wurde einem „Brotberuf“ der Vorrang eingeräumt. Joachim Günther studierte also nicht Musik, sondern wurde einer der ersten Informatiker in der öffentlichen Verwaltung. Er erzählte, wenn es uns gelang, ihn, den konsequenten Bus- und Bahnpassagier, zu einer gemeinsamen Heimfahrt im Auto einzuladen, unterhaltsam und pointenreich von seinen Dienstreisen quer durch das Land. Die wahre Leidenschaft jedoch packte ihn, wenn er in seinen musikalischen Erinnerungen kramte, in denen die Konzerte mit dem Musikverein und die Auftritte in der Oper eine gewichtige Rolle spielten, aber durchaus nicht allein standen. Dabei glorifizierte er nie die Vergangenheit, sondern man spürte ständig die Vorfreude auf das nächste Konzert, für dessen Gelingen er sich mit großem Engagement einsetzte.

Die Musik hatte ihn jung gehalten. Davon war er fest überzeugt. Die raumgreifenden Schritte, mit denen er, immerhin Jahrgang 1939, mit uns mithielt, bezeugten seine Fitness. Tatsächlich merkte man ihm nicht an, dass er im 85. stand. Als sein Enkel ihn im Konzert „Opa“ nannte, erntete er Kritik aus den Reihen der Tenöre. „Wie kannst Du ihn Opa nennen? So alt ist er doch gar nicht.“

Und so traf uns ganz unerwartet – „wenn wir uns mitten im Leben meinen“ - die Nachricht, dass ihn im Urlaub eine Sepsis ereilt hatte, der er nach wenigen Tagen erlag.

Zu gemeinsamen Auftritten beim Bundeswehrfest, mit Kodalys „Psalmus Hungaricus“ im November in der Tonhalle und Haydns Nelson Messe im Menschenrechtskonzert wird es nicht mehr kommen. Aber wenn wir Zoltan Kodalys Vertonung des 55. Psalm singen, so werden wir bei der Stelle „: Hätte ich doch Flügel wie eine Taube, wie wollte ich fliegen, bis ich Ruhe fände.“ mit einem traurigen Lächeln an unser letztes gemeinsames Konzert denken, in dem wir mit ihm Mendelssohns Hymne „Hör mein Bitten“ sangen, in der die gleiche Psalmstelle erklingt.

Beitragsbild: Joachim Günther (1939-2023)
Photo credit: O-Ton

Text: Udo Kasprowicz am 8.9.2023