Unsere Partnerstadt Chemnitz befindet sich zurzeit aufgrund der bundesweit bekannten Vorgänge in einer für die Stadt äußerst unangenehmen und für die Mehrzahl ihrer Bewohner auch äußerst diskriminierenden Situation.
Die verständliche Trauer, Betroffenheit, aber auch Empörung nach dem Mord an einem Chemnitzer Bürger durch einen Menschen mit Migrationshintergrund wurden sofort von einschlägigen Gruppen unserer Gesellschaft instrumentalisiert. Der Verstorbene wurde in wirklich übelster Weise für die Ziele rechtsradikaler Randgruppen benutzt.
Gewählte Politiker unseres Bundestages verstiegen sich in eine Wortwahl zur Brandmarkung angeblich verfehlter Migrationspolitik und benutzten schamlos den Verstorbenen, verletzten dessen Würde und beschmutzten die Trauerbewältigung innerhalb seiner Familie.
Ein schrecklicher und bedauerlicher Mord ist geschehen. Für die Angehörigen steht Trauer im Vordergrund. Diese Trauer bringen auch wir mit großer Betroffenheit zum Ausdruck und sprechen den Angehörigen unser tiefempfundenes Beileid aus.
Unser Rechtsstaat wird diesen Mord ahnden und den Täter im Rahmen unserer staatlichen Gerichtsbarkeit verurteilen.
Betrachtet man die Fernsehbilder mit pöbelnden Menschen die völlig enthemmt Körperteile entblößen, den Hitler-Gruß ohne Scheu präsentieren und völlig ausgerastet schlimmste Dinge fordern und mit übelster Fäkalsprache Politiker beschimpfen, könnte man meinen, sich in einer neuen staatlichen Form der Anarchie zu befinden.
Bilder aus der Weimarer Republik und von den SA-Pöbeleien um und vor 1933 kommen einem in den Kopf. Angst und Sorge darf sich breitmachen vor soviel entmenschtem Handeln. Mehr Angst macht sich aber breit bei der Vorstellung, dass wir demokratisch gewählte Politiker haben die sich ziemlich hemmungslos der Sprache des 3. Reiches bedienen weil sie mit dieser Sprache genau das erreichen wollen, was die damaligen Machthaber erreicht haben: Ein Volk zu formen und für seine Ziele empfänglich zu machen. Diesen Politikern ist es dabei völlig egal ob sie ihre Stimme von einem sorgenvollen Demokraten oder von einer Vielzahl von pöbelnden Menschen bekommen.
Die Intelligenz von damals wie die von heute ist bei den benannten Politikern nur am eigenen Vorteil interessiert, wirft jede vielleicht genossene Werteerziehung in den eigenen privaten Abfalleimern zugunsten des persönlichen Erfolges, stachelt dann die weniger intelligenten, die sich oftmals aufgrund persönlicher Verhältnisse in einer Situation zwischen Ohnmacht und Niederlage befinden, auf und verschafft ihnen ein Gefühl der Macht indem diese Politiker jede Gelegenheit nutzen, um die tief in uns schlummernden niedrigsten Gefühle zu bedienen. Mit dieser Strategie und mit der Veränderung der Sprache wird ein Volk benutzt, geformt und in seinen humanistischen Grundfesten verändert.
Auf dieser mehr als 90 Jahre alten Klaviatur wird heute gespielt von Politikern, die regulär gewählt wurden, finanzielle Hilfe vom Staat bekommen und dabei sind, unsere mit viel Kraft und Willen erlangte demokratische Grundhaltung, aber auch unsere Grundordnung, zu zerstören.
Lassen Sie mich zurück nach Chemnitz kommen und Bezug zur Überschrift nehmen:
Wir als Städtischer Musikverein zu Düsseldorf durften in den letzten beiden Jahren auf Einladung der Theater Chemnitz jeweils am Einheitskonzert zum 3. Oktober teilnehmen. Bei diesen Besuchen haben wir als Chor die Stadt in besonders intensiver Weise kennen- und schätzen gelernt. Wenn ich schreibe „Die Stadt“ meine ich auch und vor allem die Menschen in dieser Stadt.
Bei unseren Besuchen haben wir eine aufblühende und kulturell sehr farbige Stadt kennen gelernt. Von dem aus westlicher Sicht etwas grauen Image des alten Karl-Marz-Stadt ist eigentlich nichts mehr zu erkennen. Als wir in Chemnitz Beethovens 9. Symphonie in der Oper mit Chemnitzer Partnerchören sangen befanden wir uns in einem wunderbaren städtischen Umfeld mit Museen, mit schönen Lokalen, mit einer geschichtsträchtigen Straßenbahn, aber auch mit einer wunderschönen Oper und in einem gleichzeitig stattfindenden Jugend-Festival.
Fröhliche Menschen in den Kaufhäusern, freundliche Menschen im Hotel, beim Konzert und bei den Besuchen aller Sehenswürdigkeiten.
Das ist das wirkliche Chemnitz und so unterstützen wir die Aktion „Wir sind mehr“ und das Konzert am Montag mit Düsseldorfer Präsenz. Campino und die Toten Hosen werden am Montag dankenswerterweise beim Konzert Flagge zeigen, für Düsseldorf, für Chemnitz aber auch und vor allem für aufrechte Bürger die begreifen, dass unsere Welt nicht so eindimensional strukturiert ist wie die falschen Propheten es uns einreden wollen.
- Bunt sind wir!
- Vielfältig sind wir!
- Weltoffen sind wir!
- Mitfühlend sind wir!
- Helfend sind wir!
Die Medien präsentieren uns leider vorwiegend die negativen Seiten von Migration. Schaue ich jedoch in unser unmitelbares Umfeld so darf ich feststellen, dass wir z.B. in unserem Projekt „SingPause-Singen in Düsseldorfer Grundschulen“ mehr als 15.000 Grundschulkinder betreuen. Der Migrationshintergrund ist enorm und mehr als 1.800 Flüchtlingskinder singen mit uns: „Im Frühtau zu Berge“ (Deutschland) aber auch „Tsche tsche kule“ (Ghana) oder „Sisi ni watoto“ (Tansania), oder „Haru ga kita“ (Japan). „Epoi tai tai“ (Neuseeland), „Kookaburra“ (Australien) aber auch „Jlövste dat dann, wä säht dat dann“ (Düsseldorfer Platt). Bunter geht es nicht, integrativer auch nicht. Lassen wir unsere Kinder sprechen und die in diesem Beitrag angesprochenen Politiker müssten sich beschämt zurückziehen und die von diesen Politikern falsch gepolten Menschen hätten die Chance, einen in ihren Tiefen sich befindenden Restkern von humanistischen Werten wiederzuentdecken.
Eine Lanze für Chemnitz – eine Lanze für unsere Demokratie – Eine Lanze für Menschlichkeit!
Mit Düsseldorfer Gruß
Ihr
Manfred Hill
-Vorsitzender-
am 1.9.2018 – 16.00 Uhr
P.S.:
Zeitgleich als ich diesen Beitrag schreibe erreicht mich eine Einladung der Theater Chemnitz zu einem spontanen Konzert am 7.9. Open Air in Chemnitz. Es wird die 9. Symphonie zu Gehör gebracht. Gerne hätten wir teilgenommen, befinden uns aber ab heute in der Konzertwoche zur Vorbereitung der Saisoneröffnung der Tonhalle Düsseldorf mit „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn und der Leitung von Principal Conductor Adam Fischer.
Wir wünschen dem Veranstalter und unserer Partnerstadt für das Konzert viel Erfolg. Ludwig van Beethoven wollte einmal, dass seine Musik von „Herzen zu Herzen“ geht. Liebe Chemnitzer, dieses Wunsch möchte ich auf Euch übertragen und hoffen, dass es viele Menschen gibt die so sind, wie ich Euch kennengelernt habe – „Ihr seid mehr“.
Beitragsbild: Die Oper in Chemnitz anlässlich des Konzertes am Einheitstag mit der Robert-Schumann-Philharmonie, den Chor der Oper, den Chemnitzer Chören und dem Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf.