„Zieht Euch warm an“ - dieser der Einladung mündlich hinzugefügte freundliche Hinweis des Vorstands war keineswegs als Warnung vor einer möglicherweise negativen Bilanz der bisherigen Bewältigung der Pandemie durch den Städtischen Musikverein zu Düsseldorf gedacht. Er betraf eine der vielen Vorsichtsmaßnahmen, denen sich die Sängerinnen und Sänger des Konzertchores der Landeshauptstadt in den ersten beiden Jahren ihres dritten Jahrhunderts bisher so tapfer und nahezu widerspruchslos hingegeben haben. Maskiert und ob des verordneten Durchzugs im Palais Wittgenstein in Mäntel gehüllt, waren am 15. November 2021 die Vereinsmitglieder sehnsüchtig auf lange vermisste Begegnungen wartend und zukünftiger Aufgabenstellung neugierig entgegenfiebernd zusammengekommen, um neben den nötigen Formalia einer Mitgliederversammlung von Herzen
DANK FÜR DIE MÖGLICHKEIT, GEGEN "COVID" ANZUSINGEN
zu sagen.
Der herzliche Beifall war lang und laut und dankte dem künstlerischen Leitungsteam und dem unermüdlich den notwendigen Corona-Restriktionen vorauseilenden Vorsitzenden Stefan Schwartze für die Ermöglichung des Singens in äußerst gesangsfeindlicher Zeit. Schließlich waren Chorproben relativ schnell als Hotspots der Virenverbreitung ausgemacht, denn die Kraft, gestützte Luftsäulen konzentriert in schöne Töne zu verwandeln – bisher die geschätzte Kunst des Singens – wurde zum bedrohlichen Spreading-Event.
Nahezu zwei Jahre war auch bei uns an eigentliche Chorarbeit nicht zu denken. Unmittelbar nach seiner mit begeisterter Zustimmung des Musikvereins zu Düsseldorf erfolgten Berufung als dessen Chordirektor musste Prof. Dennis Hansel-Dinar erfahren, dass an eigentliche chorische Arbeit nicht zu denken und auf Konzertmöglichkeiten kaum zu hoffen war. Tolle Projekte mit den Düsseldorfer Symphonikern mussten verschoben werden und warten noch immer auf die – schon wieder auf’s Neue gefährdete –Terminierung ihrer Nachholung.
Vor diesem Hintergrund war der Bericht des Vorsitzenden eine Aufzählung von Erstaunlichem, an dessen Zustandekommen die meisten der sich im Saal an guten Erinnerungen wärmenden Choristen sehr intensiv beteiligt waren. Statt Mozart oder Kodaly in der Tonhalle aufführen zu dürfen, gab es während der ersten Covid-Wellen online-Training im Blattsingen, in Tonalitäts- und Intervallsicherheit.
Später organisierte das Leitungsteam die „home-office-Erstbegegnung“ mit Hillers Oratorium "Saul". Die ebenso strengen wie freundlichen, geduldig-sensiblen wie hartnäckig fordernden "Assistenten" Constanze Pitz und Grant Sung sowie Prof. Dennis Hansel-Dinar selbst waren abendliche Gäste an den PC-Screens der nervös-aufgeregten aber lernbegierigen Sänger zu Hause. Das nahezu solistische Erarbeiten der Chorpartitur als musikalische Grundlage versetzte uns in die Lage, in den ab Sommer 2021 möglichen wenigen - auf zwei Chöre halbierten - und noch weniger kompletten Präsenz-Proben einem großen Werk den Klang zu schenken, den dessen beachtete Wiederentdeckung nach einem Jahrhundert verdient.
Vor allem aber hatten wir den Spaß am Singen nicht verlernt, die Sehnsucht danach aber sicher sogar vervielfacht. Selbst wenn die ersten von Michael A. Willens geleiteten "SAUL" Konzerte mit der Kölner Akademie und namhaften Solisten nur wenige – allerdings begeisterte – Zuschauer erreichten, wich die Enttäuschung schnell der Begeisterung, wieder auf einer Konzertbühne oder vor einem Kirchenaltar singen zu dürfen. Und das abschließende Heimspiel in der Tonhalle war ja gut besucht ...
Ein Erfolgsgarant unserer Arbeit war auch die Tatsache, dass die in den Konzertwochen obligatorischen tagesaktuellen und vor Abfahrt des Busses nach Essen, Duisburg, Köln und Dortmund kontrolliert durchgeführten Selbsttest das Risiko einer Infektion erfolgreich zu „Null“ minimierten. Ein Teil des Applauses der Vollversammlung hatte durchaus Echoqualität, denn die Bilanz, die Prof. Hansel-Dinar zog, schloss auch die Anerkennung der Sangesfreunde ein, in schwieriger Zeit besonders intensiv und Neuem aufgeschlossen, dem Sangesfeind trotzend, dem bisherigen künstlerischen Niveau neue Impulse geschenkt zu haben.
Jeder von uns weiß, was er Dennis Hansel-Dinar, Constanze Pitz und Grant Sung zu danken hat. Der den drei chorleitenden Künstlern verliehene Orden „Buntes Verdienstkreuz“ wurde zwar augenzwinkernd gestiftet, aber mit dem großen Ernst einer aufrichtigen Anerkennung der zu ehrenden Leistung überreicht. Bald wird sich wieder eine sich fast dreistellige Anzahl von Sängern auf Beethovens IX., auf die Uraufführung von René Staars "Schwarzer Schnee" zu Adam Fischers Menschenrechtskonzert im März und auf das Romantikkonzert im Juni mit Werken von Felix-Mendelssohn Bartholdy und seiner Schwester Fanny Hensel freuen.
Mit den Zukunftsplänen des über 200 Jahre alten Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf, der - wie zur Zeit seiner Gründung - die Brücke von der musikalischen Hochkultur zu den Bürgern der Stadt schlagen, oder eine solche sogar immer unnötiger machen will, gehen wir optimistisch ans Singen. Wir hoffen, dass die in der "SAUL"-Vorbereitung notwendigen 550 tagesaktuellen COVID-Selbsttests vor den Proben und Konzerten bald ins Reich der für später überlieferten Anekdoten wandern können und die Maskenbegegnungen dem Karneval vorbehalten bleiben.
Der aus dem Plenum kommentierende Bass freut sich auf die singende und klingende Zukunft des Düsseldorfer Konzertchores und aller Chorsänger überall und würde gerne jenen eine aufrüttelnde IMPFKANTATE entgegen „crescendieren“, die es bisher noch an Vernunft, Rücksicht und Verantwortungsbewusstsein mangeln lassen.
Ich hätte da viele gute und engagierte MitsängerInnen.
Karl-Hans Möller
Beitragsbild und Foto im Beitrag: Dennis Hansel-Dinar (Chordirektor); Grant Sung; Constanze Pitz (Assistent und Assistentin des Chordirektors); Stefan Schwartze (Vorsitzender) (v.l.n.r.) - Foto: K.H.Möller